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Marcel FratzscherNeues vom Wissenschaftspopulisten

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

DIW-Präsident Marcel Fratzscher hat zu allem etwas zu sagen – jetzt zur Zukunft der Rente. Er spielt dabei die Generationen gegeneinander aus.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

D er Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin Marcel Fratzscher ist dabei, sich als Wissenschaftspopulist zu profilieren. Kein Thema scheint vor ihm sicher zu sein: Mal geht es um Bildung, dann um die Regulierung von Kryptowährungen, ein anderes Mal um Zölle. Vor Kurzem hat er sich gegen einen Industriestrompreis ausgesprochen und lapidar erklärt, Deutschland müsse eben bestimmte Wirtschaftszweige ziehen lassen.

Seine jüngste Volte: In der Rheinischen Post fordert er die Anhebung des Renteneintrittalters – und spielt dabei die Generationen gegeneinander aus. Die Jungen müssten die Zeche für die Renten der Alten zahlen, behauptet er und fordert Abstriche: einen späteren Renteneintritt und geringere Rentenerhöhungen. Aber: Die Anhebung der Rentengrenze und geringere Bezüge würden auch die Jungen treffen – wenn sie eines Tages alt sind.

Wer das Renten­system so schlecht redet wie Fratzscher, macht die Jungen zur leichten Beute provisionshungriger Ver­käu­fe­r:in­nen von privater Altersvorsorge. Für die heute nicht mehr jungen Erwerbstätigen würde ein späterer Renteneintritt in den meisten Fällen nichts anderes als eine Rentenkürzung bedeuten. Schon heute schaffen es viele nicht, bis 67 zu arbeiten. Die Altersarmut nimmt bereits heute zu. Das trifft insbesondere Frauen. Viele Rent­ne­r:in­nen müssen zu Tafeln gehen, um genug zu essen zu haben, oder – solange sie können – sich etwas dazuverdienen. Ihnen eine Anhebung der Bezüge zu verweigern, ist schlicht gemein.

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Ja, es braucht eine Rentenreform. Aber eine, die für mehr und nicht für weniger soziale Sicherheit und Gerechtigkeit sorgt. Entscheidend dafür sind eine existenzsichernde Mindestrente für alle und regelmäßige Rentenerhöhungen, die Ru­he­ständ­le­r:in­nen am wachsenden Wohlstand beteiligen und nicht davon abkoppeln. Finanziert werden kann das, indem alle Erwerbstätigen in die Rentenkassen einzahlen und die Renten derjenigen mit den richtig hohen Einkommen gedeckelt werden. In Österreich ist das möglich. Und mit dem entsprechenden politischen Willen auch hier.

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Anja Krüger
Parlamentskorrespondentin
Schwerpunkte Wirtschaft- und Energiepolitik
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