piwik no script img

Maoistische Gruppe JugendwiderstandRazzia nach der Auflösung

Gegen Mitglieder des aufgelösten Jugendwiderstands wird ermittelt. Vorgeworfen werden ihnen Angriffe auf politische Gegner.

Kundgebung des Jugendwiderstands auf dem Karl-Marx-Platz n Berlin-Neukölln Foto: dpa

Berlin taz | Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwochmorgen neun Wohnungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen von Mitgliedern der maoistischen Gruppe Jugendwiderstand durchsucht. Zur Last gelegt werden ihnen zwei Angriffe auf politische Gegner. Die Ermittlungen richten sich gegen sieben Beschuldigte, darunter eine Frau. Wie die Berliner Staatsanwaltschaft mitteilte, werde wegen des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch, gefährliche ­Körperverletzung sowie weiterer Delikte ermittelt.

Erst vor zwei Wochen hatte der 2015 gründete Jugendwiderstand seine Auflösung bekannt gegeben. Szene-Insider vermuten, dass die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppe damit einer stattlichen Verfolgung, womöglich einem Verbot, ausweichen wollte. Ob es entsprechende Vorbereitungen hierzu gegeben habe, wollte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz nicht bestätigen. Die Gruppe galt, auch innerhalb der linken Szene, als gewaltaffin. Immer wieder kam es zu Übergriffen durch Gruppenmitglieder, die sich selbst als „klassenkämpferische Jugend“ bezeichneten, bei ihren Gegnern aber als stalinistisch und antisemitisch galten.

Die Ermittlungen beziehen sich zum einen auf einen Vorfall im Zusammenhang mit dem Aufmarsch in Gedenken an Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Sommer 2017. Damals seien fünf Nazis auf dem Weg zur Demo in Reinickendorf von Vermummten überfallen worden, wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz sagte. Die Täter hätten sie mit Quarzhandschuhen und einer Eisenstange traktiert, auf eine am Boden liegende Person eingetreten und dieser mit einer Bierflasche auf den Kopf geschlagen.

In einer Auswertung des Tages, an dem der Nazi-Aufmarsch erfolgreich blockiert wurde, schrieb der Jugendwiderstand über die Linke: „Bis auf einige Ausnahmen, hat sie verlernt zu kämpfen.“ Die Gruppe selbst hat stets betont, Kampfsport zu betreiben. Auf ihren Aufmärschen sah man trainierte junge Männer, aufgereiht in militärischer Formation.

Vorwurf: Antisemitismus

Zum anderen geht es den Ermittlern um einen Vorfall im September 2018 im Kreuzberger Biergarten Jockel. Der Jugendwiderstand war als Wachschutz einer Veranstaltung mit der palästinensischen Aktivistin Manal Tamimi aufgetreten, der vorgeworfen wird, mehrfach zum Mord an Juden aufgerufen zu haben.

Etwa 25 pro-israelische Demonstranten hatten gegen ihre Auftritt protestiert. Mitglieder des Jugendwiderstands hatten einige von diesen „angegriffen“. Der Vorfall sei „nicht so massiv“ wie jener beim Rudolf-Heß-Marsch, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Konkret seien Gegendemonstranten bedrängt, womöglich gestoßen und antisemitisch beleidigt worden.

Bei den Razzien sei etwa nach Vermummungsgegenständen und Quarzhandschuhen gesucht worden. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden Handys, Speichermedien und – nicht näher benannte – Waffen beschlagnahmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.