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Manöver im beginnenden Wahlkampf der USARepublikanische Retourkutsche

Großes Theater, geringe Chancen: US-Republikaner forcieren mit Votum Ermittlungen zu einer möglichen Amtsenthebung von Präsident Joe Biden.

Der Abgeordnete Jamie Raskin (Demokraten) spricht zur Presse über das Amtsenthebungsverfahren Foto: Jose Luis Magana/ap

Washington dpa | Die Republikaner im US-Repräsentantenhaus treiben die Ermittlungen zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Joe Biden voran. Sie werfen dem Demokraten vor, sein öffentliches Amt zum finanziellen Vorteil seiner Familie missbraucht zu haben. Eindeutige Beweise für ein schweres Fehlverhalten haben die Republikaner bislang aber nicht vorgelegt.

Mit der Mehrheit der Republikaner stimmte das Abgeordnetenhaus am Mittwoch dafür, mit den Ermittlungen weiterzumachen und diese zu „formalisieren“. Es handelt sich um einen technischen Schritt, von dem sich die Republikaner mehr rechtliche Handhabe bei ihren Ermittlungen erhoffen. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten wird damit nicht eröffnet.

Biden weist die Vorwürfe zurück. „Anstatt etwas zu tun, um das Leben der Amerikaner zu verbessern, konzentrieren sie sich darauf, mich mit Lügen anzugreifen“, reagierte der US-Präsident auf die Abstimmung.

Er bezichtigte die Republikaner, bei wichtigen Themen wie der Genehmigung weiterer Ukraine-Hilfen untätig zu bleiben. Stattdessen „verschwenden“ sie ihre Zeit mit einem „politischen Stunt“.

Abstimmung soll rechtliche Grundlage schaffen

Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus votierten mit 221 zu 212 Stimmen für die formelle Einleitung der Ermittlungen. Die Demokraten stimmten geschlossen dagegen.

Der mittlerweile geschasste republikanische Vorsitzende der Kongresskammer, Kevin McCarthy, hatte die Ermittlungen im September angestoßen. Er schreckte aber vor einer Abstimmung in der Parlamentskammer darüber zurück. Seine Sorge war, dass einige gemäßigtere Republikaner möglicherweise dagegen stimmen könnten. Das ist nun nicht eingetreten.

Die Republikaner, die mit den Ermittlungen befasst sind, argumentierten in den vergangenen Wochen, dass ihnen die notwendige rechtliche Grundlage für Vorladungen oder die Anforderungen von Dokumenten fehle. Zwar hatte das Weiße Haus Unterlagen übergeben. Nach Ansicht der Republikaner sind diese aber nicht ausreichend.

Der neue republikanische Vorsitzende der Kammer, Mike Johnson, gab mit der Abstimmung nun dem rechten Flügel seiner Partei nach. Dieser drängte darauf, die Ermittlungen offiziell zu machen. Mit der jetzigen Abstimmung ist sichergestellt, dass sich die Ermittlungen über den gesamten Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2024 ziehen dürften.

Ob nach Ermittlungen am Ende tatsächlich ein Amtsenthebungsverfahren steht, ist fraglich. Denn dazu wäre zunächst eine Mehrheit im Repräsentantenhaus nötig. Die Republikaner haben dort zwar eine knappe Mehrheit, doch mehrere moderatere Republikaner äußerten sich zuletzt kritisch zu dem Vorhaben. Vor der tatsächlichen Eröffnung eines Verfahrens könnten sie dann doch zurückschrecken.

Bidens Sohn Hunter im Fokus

Selbst bei einem Erfolg im Repräsentantenhaus hätte über eine Amtsenthebung des Präsidenten danach die andere Kongresskammer, der Senat, zu entscheiden. Dort haben Bidens Demokraten eine knappe Mehrheit. Dass der Präsident am Ende schuldig gesprochen und des Amtes enthoben werden könnte, gilt daher bislang als ausgeschlossen.

Von etlichen Republikanern wird der Präsident immer wieder in Verbindung zu den Geschäften seines Sohnes Hunter Biden gebracht. Am Mittwochmorgen stellte sich Hunter Biden, der sich unter anderem wegen möglicher Steuerdelikte vor Gericht verantworten muss, vor den US-Kongress und bot an, in einer öffentlichen Anhörung zu den Amtsenthebungsermittlungen gegen seinen Vater auszusagen.

Die Republikaner hatten ihn vorgeladen, er sollte hinter verschlossenen Türen aussagen. Dies lehnte er aus strategischen Gründen aber ab. „Lassen Sie mich so deutlich wie möglich sagen, dass mein Vater nicht finanziell an meinen Geschäften beteiligt war“, betonte Hunter Biden.

Trump macht Druck

Der frühere US-Präsident Donald Trump forderte seine Parteikollegen in der Vergangenheit immer wieder auf, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden anzustoßen. Während Trumps Amtszeit hatten die Demokraten im Kongress gleich zwei Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet.

Der Republikaner war der erste Präsident der US-Geschichte, der sich zwei solcher Impeachment-Verfahren im Senat stellen musste – eines wegen Vorwürfen des Machtmissbrauches, eines wegen des gewaltsamen Sturmes seiner Anhänger auf das US-Kapitol. Er wurde damals in beiden Fällen vom Senat freigesprochen, wo zu der Zeit seine Partei noch das Sagen hatte.

Inzwischen läuft außerdem der Wahlkampf für die nächste Präsidentenwahl, bei der Biden und Trump Kandidaten ihrer Parteien werden wollen. Trump ist mitten im Wahlkampf mit vier Anklagen in Strafverfahren konfrontiert – zwei davon im Zusammenhang mit seinen Versuchen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 nachträglich umzukehren.

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2 Kommentare

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