Mangelnde Aufarbeitung der Pandemie: Zu früh für einen Schlussstrich
Der Schlussbericht des Europaparlaments zur Coronapandemie vermittelt den Eindruck, alles sei ganz gut gelaufen. Dabei gibt es eine Reihe Probleme.
E nde gut, alles gut? Diesen Eindruck vermittelt der Schlussbericht des Europaparlaments zu Coronapandemie. Drei Jahre nach Beginn der großen Krise, die nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Wirtschaft und die bürgerlichen Freiheiten bedrohte, ziehen die Abgeordneten eine positive Bilanz.
Die EU habe in Rekordzeit reagiert und die Krise gut gemeistert, heißt es in einer Entschließung. Darauf müsse man aufbauen und in die neue europäische Gesundheitsunion investieren. Mehr Forschung, mehr Prävention, mehr Kompetenzen für Brüssel – das ist das Fazit. Es klingt gut, verschleiert aber ernste Probleme.
Problem Nummer eins: Für die Gesundheitspolitik ist die EU gar nicht zuständig. Wer hier mehr machen will, muss die Verträge ändern. Dafür gibt es aber keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten. Viele Forderungen der Abgeordneten sind daher bloß fromme Wünsche. Die Gesundheitsunion bleibt Flickwerk.
Problem Nummer zwei: fehlende demokratische Kontrolle. Als die EU-Länder 2020 die Grenzen schlossen und die Grundrechte einschränkten, hatten die Parlamente das Nachsehen. Auch das Europaparlament war machtlos. Im Schlussbericht wird das zwar erwähnt, doch ihre Rechte fordern die Abgeordneten nicht ein.
Problem Nummer drei: fehlende Transparenz. In der Coronakrise hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen viel Macht an sich gerissen. Auf dem Höhepunkt der Krise Anfang 2021 soll sie sogar milliardenschwere Impfstoff-Verträge mit dem US-Konzern Pfizer ausgehandelt haben – auf ihrem Handy, per SMS.
Diese Affäre ist bis heute nicht aufgeklärt. Doch von den Forderungen nach Transparenz, die sich das Europaparlament auf seine Fahnen geschrieben hat, ist nicht viel übrig. Im Schlussbericht des Covid-Ausschusses kommt Transparenz nur am Rande vor, unter ferner liefen. Für die Abgeordneten ist das Thema durch.
Die Hoffnung ruht nun auf der Justiz. In der SMS-Affäre sind noch mehrere Verfahren anhängig, es gibt sogar eine Strafanzeige gegen von der Leyen. Erst wenn die Gerichte gesprochen haben, kann die EU einen Schlussstrich ziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“