Managerin über Frauen und Karriere: „Machen wir uns nichts vor“
Ein Führungsjob nimmt keine Rücksicht auf Kitaschließzeiten, sagt Natascha Sasserath, Mutter in Leitungsposition. Sie plädiert für die zweite Karriere mit 50.
taz: Frau Sasserath, Exfamilienministerin Kristina Schröder findet, dass Führungsposten und Familie nicht zusammenpassen. Stimmt das?
Natascha Sasserath: Das Thema ist emotional stark aufgeladen und ideologisch überfrachtet. Ich höre auch oft von Männern, bei denen es beruflich nicht weitergeht, dass sie sich jetzt mehr der Familie widmen wollen. Aber ich erlebe niemanden, der sich darüber aufregt.
Warum ist das so?
Das Thema Familie und Kinder ist nach wie vor hauptsächlich mit der Mutter verbunden. Die Väter werden in der Diskussion häufig außer Acht gelassen. Aber machen wir uns nichts vor: Eine Führungsposition ist mehr als ein normaler 40-Stunden-Job. Wenn die Hütte brennt, muss man einsatzbereit sein und kann keine Rücksicht nehmen, weder auf Kitaschließzeiten noch auf kranke Kinder. Egal, ob den Job ein Mann oder eine Frau macht. Die Familie bleibt da zu Teilen auf der Strecke.
Frau Schröder hat also recht?
Nicht in allen Punkten. Nur wird momentan in der Debatte stark Druck aufgebaut, der zulasten der Frauen und der Kinder geht. Der mit der Karriere verbundene Verzicht auf die Zeit mit den Kindern ist – bei aller Liebe zum Job – nicht immer leicht. Jene Männer und Frauen, die da behaupten, Führungsjob und Familie lassen sich ganz locker miteinander vereinbaren, machen es sich zu einfach. Gern würde ich sie morgens zu Hause beobachten: Was machen sie, wenn ein Kind mal nicht so will, wie sie selbst es gern hätten?
ist zweifache Mutter und in einer Führungsposition.
Kristina Schröder spricht von Familienphasen.
Wir sollten wegkommen von dem Dogma, zwischen 30 und 40 müsse alles passieren: Kinder, Karriere, Hausbau. Wir leben und arbeiten heute alle länger, da sollte es doch möglich sein, zwischendurch ein wenig kürzerzutreten. Und später, wenn die Kinder größer sind, wieder stärker durchzustarten. Manche Menschen machen mit Mitte 50 eine zweite Karriere.
Wie machen Sie das als Führungskraft?
Mein Mann und ich sind möglicherweise ein Extremfall. Mein Mann war dreieinhalb Jahre in Elternzeit. Unsere Kinder sind kurz hintereinander geboren, jetzt sind sie 7 und 9. Mein Mann arbeitet Teilzeit und ich Vollzeit, mit Dienstreisen und einem Arbeitstag bis in den Abend.
Das ist ein seltenes Modell.
Wir haben uns damals, als die Kinder kamen, dafür entschieden, weil ich diesen interessanten Führungsjob angeboten bekam und den auch haben wollte. Unser untypisches Rollenmodell macht die Sache gleichermaßen interessant und anstrengend: Wir diskutieren und stellen sicher mehr infrage als Paare, die sich für die klassische, umgekehrte Variante entschieden haben.
Ein gutes Rezept?
Das muss jede Familie für sich selbst entscheiden. Für uns wäre zweimal Vollzeit hinsichtlich der Kinderbetreuung machbar, aber nicht das richtige Modell.
Wäre Ihr Führungsjob als Teilzeit denkbar?
Theoretisch kann Jobsharing gut funktionieren. Praktisch suche ich nach positiven Beispielen, höre aber nur Gegenteiliges.
Von welcher Seite?
Sowohl von ArbeitnehmerInnen als auch von ArbeitgeberInnen. Momentan habe ich mehr Fragen als Antworten: Arbeitet man in Teilzeit nicht genauso viel wie vorher und wird nur schlechter bezahlt? Verlagert man die Arbeit nicht einfach schlicht in die Nachtstunden? Funktionieren Absprachen noch genauso gut? Wie klappt das mit dem Stellvertreter?
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