Mai Duong Kieu über Diversität in Serien: „Man muss ein dickes Fell haben“

Die Schauspielerin Mai Duong Kieu ist bekannt aus der Erfolgsserie „Bad Banks“. Uns erzählt sie, wann sie sich in ihrem Beruf Stereotypen widersetzt.

Mai Duong Kieu in ihrer Rolle als Thao in der Serie „Bad Banks“

Mai Duong Kieu in ihrer Rolle als Thao Hoang in der Serie „Bad Banks“ Foto: Ricardo Vaz Palma

taz am wochenende: Frau Duong Kieu, in der Erfolgsserie „Bad Banks“ spielen Sie die Bankerin Thao Hoang. Diese Rolle war ursprünglich als Chinesin konzipiert, wurde durch Ihren Einfluss aber zur Vietdeutschen umgeschrieben. Hat man als Darstellerin immer so viel Einfluss?

Mai Duong Kieu: Das kommt auf Autor und Produktion an. Ich bin zum Casting gegangen und habe die Rolle „Bo“ bekommen, was anscheinend erst chinesisch sein sollte. Danach wurde ich gefragt, was ein guter vietnamesischer Name wäre, und so ging es dann los. Ich hatte auch viel Freiraum, was die Dialoge anging, und konnte dadurch etwas von mir einfließen lassen.

Warum war es Ihnen wichtig, dass die Rolle mit Ihrem Hintergrund übereinstimmt?

Ich habe als Schauspielerin kein Recht, die Rolle an mein eigenes Leben anzupassen. Das wäre nur eine halbe Rolle – und ich möchte ja völlig in meine Figur eintauchen. Andererseits ist es praktisch, sich das Hintergrundwissen nicht erarbeiten zu müssen. Ich schätze mal, dass viele Chinesen eine ganz andere Geschichte haben, und ich bin ja Deutschvietnamesin, auch wenn ich noch in Vietnam geboren wurde. Da finde ich es schön, Geschichten zu erzählen, die vorher niemand so gebracht hat. Ich will die Geschichte der vietnamesischen Generation 1,5 ins deutsche Fernsehen bringen.

Die Schauspielerin, Jahrgang 1987, ist in Chemnitz aufgewachsen. Sie studierte Schauspiel in Leipzig und spielte Rollen in deutschen und US-Amerikanischen Fernsehserien.

Seit 2018 ist Duong Kieu als Bankerin Thao in der Erfolgsserie „Bad Banks“ zu sehen. Die zweite Staffel hat sie vor Kurzem fertig gedreht. Drehhorte waren Luxemburg, Frankfurt und Berlin sowie eine Karibik­insel, über die sie noch nicht mehr verrät. Die neue Staffel soll im Frühjahr 2020 im ZDF und auf Arte gesendet werden.

Was bedeutet Generation 1,5?

Dass man in Vietnam geboren ist und dass zerrissene Familien durch den DDR-Gastarbeiterprozess in Deutschland wieder zusammengekommen sind.

Sie sind mit fünf Jahren nach Chemnitz gekommen. Wie haben Sie das Aufwachsen in den Neunzigern erlebt?

Ambivalent. Ich musste mich mit vielen Dingen auseinandersetzen. Einerseits die Erziehung, die ich durch meine Eltern genoss und die nicht kongruent war mit dem, was ich bei anderen Kindern gesehen habe. Morgens war es vietnamesisches Essen, in der Schule kamen Kartoffeln auf den Tisch. Ich musste als Kind lernen zu switchen, hin und her. Dann war da der Alltagsrassismus im Chemnitz der Neunziger. Auch das war als Kind nicht leicht. Man sieht das dann nicht als Rassismus, sondern denkt, die Menschen behandeln mich halt so; aber ich konnte es schlecht adressieren, da ich keinen Vergleich hatte.

Vor einem Jahr in Chemnitz kam es zu Ausschreitungen rechter und rechtsextremer Gruppen. Menschen, die in den Augen der Rechten Migranten waren, wurden angegriffen. Haben Sie die Eskalation kommen sehen?

Ich hab’s nicht kommen sehen, aber ich war auch nicht überrascht. Das Potenzial war immer da, ich habe das ja jeden Tag erlebt. Aber es verwundert mich, weil die Gegenbewegung doch groß ist, dennoch haben sich die Rechten durchgesetzt. Ich bin mit diesen Kindern ja aufgewachsen, und wenn sie nicht vom Gegenteil überzeugt werden oder sie ihr Leben ändern, dann bleiben die so.

Sie hätten aus dem Osten wegziehen können, sind aber nach einer Station in Berlin dann nach Leipzig gezogen. Warum?

Sie fragen, warum ich wieder nach Sachsen zurückgekommen bin? Man ist eben nicht so ganz frei von seiner Sozialisierung. Ich habe diese Werte über Familie schon verinnerlicht, für sie bin ich zurückgekommen. Der andere Grund ist, dass ich in Berlin ein Netzwerk aufgebaut hatte und die Stadt für meine Karriere nicht mehr brauchte. Mittlerweile ist mein Demoband im Internet, niemand braucht mehr nach Leipzig zu kommen, um mich kennenzulernen. Für ein Casting kann ich ja immer noch nach Berlin fahren.

Wäre es nach Ihren Eltern gegangen, hätten Sie deren Kampfsportschule übernommen. Warum stattdessen Schauspielerin?

Ich hatte einerseits das Glück, dass meine Eltern recht kreativ sind. Mein Vater spielt Instrumente, sie tanzen. Sie hatten natürlich ihre Erwartungen. Meine Mutter wollte, dass ich Anwältin werde, mein Vater, dass ich oder eins meiner Geschwister die Schule übernimmt. Sie haben aber irgendwann gemerkt, dass sie das nicht erwarten können. Ich war wahrscheinlich so schlau und stark, mich Anfang meiner Zwanziger auch gegen sie aufzulehnen. Viele schaffen das nicht und werden in die Wunschkarriere ihrer Eltern gedrängt. Vielleicht ist es auch deren Ding, aber meins war es nicht. Ich habe so viele Emotionen und Prägungen in mir, dass ich das gut ins Schauspiel einbringen kann.

In „Bad Banks“ haben Sie die toughe Thao gespielt, in anderen Rollen wurden Sie als Thailänderin mit Fake-Akzent besetzt. Werden Sie oft in Klischees gepresst?

Auf den ersten Blick ist das so – wir haben ja schon über Strategien gesprochen, sich das schönzureden. Zumindest am Anfang der Karriere ist es nützlich, sich das schönreden zu können. Man muss sich entscheiden, ob man beleidigt ist oder ob man sein Netzwerk aufbauen möchte. Dieses Stereotypieren betrifft ja nicht nur mich, sondern vielleicht auch die blonde Kollegin, die immer als Püppchen besetzt wird. Da fühle ich mich nicht so angegriffen. Wenn man das nicht abkann, dann ist man vielleicht auch etwas falsch in der Schauspielbranche. Man muss ein dickes Fell haben und manchmal sogar froh sein, gewisse Nischen zu bedienen. Später in der Karriere kann man sich entscheiden, aber am Anfang muss man sich auch über stereotype Rollen freuen, solange das Drehbuch und die Rolle passen. Ich habe immer versucht, starke Frauen zu spielen, die gegen etwas kämpfen müssen, und das erfüllt mich auch mit Spiellust, wenn ich so eine Figur verkörpern kann.

Wie divers ist die deutsche Schauspiellandschaft?

Ich sehe eine starke Entwicklung in Richtung Diversität. Es ist mein zehntes Jahr, und ich merke, wie sich Drehbücher, aber auch Angebote ändern. Es gibt jetzt Netflix und immer wieder neue Serienformate. Es ist eine große Chance für Deutschland, bei den Global Playern mitzumachen. Wenn man will, dass die eigenen Formate gesehen werden, dann kommt man nicht um Diversität herum. Andererseits gibt es noch viele Klischees. Ich sehe das etwas neutral. Man muss von innen heraus arbeiten und kann nicht immer nur schimpfen. Dann machen die Leute zu.

Was soll man statt schimpfen tun, um sich weiterzuentwickeln?

Anfangs habe ich angeboten, den Akzent zu reduzieren. Dann habe ich angeboten, mal ganz ohne Akzent zu spielen. Das sind Menschen, mit denen man reden kann. Man muss nur wissen, wie – und ob man dazu in der Position ist.

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