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Magersucht in FrankreichRan an die Buletten!

Die Nationalversammlung hat beschlossen, Anstiftung zur Anorexie mit einem Jahr Gefängnis und 10.000 Euro Geldstrafe zu belegen. Sie zielt damit auf Internetseiten.

Kalte Schulter: Kein schöner Anblick bei der Pariser Fashion-Week 2014. Bild: reuters

PARIS afp | In Frankreich könnte es bald einen Straftatbestand der Anstiftung zur Magersucht geben: Mit einem Jahr Gefängnis und 10.000 Euro Geldstrafe sollen diejenigen bestraft werden, die zu einer „übermäßigen Magerheit“ anstacheln und dadurch einen Menschen Gesundheits- oder gar Todesgefahren aussetzen, heißt es in einem zu einem Gesetz vorgelegten Ergänzungsantrag, der in der Nacht auf Donnerstag von der französischen Nationalversammlung beschlossen wurde. Ein weiterer Vorschlag zum Verbot für Modelagenturen, magersüchtige Mannequins anzustellen, war zuvor in den Ausschussberatungen abgelehnt worden.

In Paris, einer der weltweiten Mode-Hauptstädte, waren Modelagenturen gegen den Vorschlag zum Verbot magersüchtiger Models Sturm gelaufen. Mehrere europäische Länder wie Spanien, Italien und Belgien haben allerdings bereits Gesetze im Kampf gegen eine Unterernährung von Models erlassen.

Mit dem nun beschlossenen Straftatbestand wollen Frankreichs regierende Sozialisten verhindern, dass junge Frauen ständig mit dem vermeintlichen Vorbild sehr dünner Frauen konfrontiert sind. Die Regelung zielt insbesondere auf Internet-Seiten, auf denen extreme Magerheit verherrlicht und zu exzessiven Diäten aufgerufen wird.

Nach Angaben des sozialistischen Abgeordneten Olivier Véran, dem Berichterstatter für den Gesetzentwurf, leiden in Frankreich zwischen 30.000 und 40.000 Menschen an Magersucht, die meisten sind demnach Jugendliche. Er betonte kürzlich: „Der soziale Einfluss des Bildes, das die Modewelt verbreitet - dass Frauen krankhaft dünn sein müssen, um schön zu sein und auf einem Laufsteg auftreten zu können - ist sehr stark.“

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5 Kommentare

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  • Wie wärs damit: Sonnen verursacht Hautkrebs, Menschen werden durch gebräunte Modells dazu verführt sich zu sonnen, deshalb verbieten wir jetzt alls Modells, die eine gewisse (geringe) Bräune übersteigen.

  • In Frankreich sind 10% der Bevölkerung krankhaft fettleibig (in Deutschland sind es noch mehr). Das führt zu massenhaft vorzeitigen Todesfällen. "Anstiftung zur Adipositas" sollte bestraft werden, damit wäre viel mehr für die Gesundheit der Menschen getan. Aber mit den Fett-&-Zucker-Konzernen und der Werbeindustrie legt man sich wohl lieber nicht an.

  • Irgendwie begreife ich die Welt nicht.

     

    Auch in Frankreich ist wohl eher das Gegenteil ein Problem, es gibt zuviele dicke Menschen. Aber alle finden es toll, wenn irgendeine Mode-Kette Übergrößen anbietet. Offensichtlich ist der Einfluss dieser Magermodells so gering, dass junge Menschen lieber fünf Mal die Woche Döner essen, als auch nur einmal einen Salat.

     

    Ich vermute mal es steht da irgendeine feministische Idee dahinter, nach dem Motto "Die Frauen werden vom Patriarchat ausgebeutet".

     

    Im Übrigen glaube ich, dass der Einfluss von diesen Modells wahnsinnig überdreiben dargestellt wird. Die Leute die Magersüchtig sind, sind das oft nicht, weil sie Modell werden wollen, sondern weil sie erhebliche psychische Probleme haben, da hilft es auch nicht wenn das Modell jetzt 5kg mehr wiegt.

  • Anorexie ist eine Krankheit. Man kann nicht zu einer Krankheit "anstiften". Der Titel ist also sehr flapsig und falsch. Ein Verzicht auf Extreme ist sicher notwendig und gut. Allerdings: Schönheitsideale weichen immer von den tatsächlichen Proportionen der Menschen ab, es ist daher nicht der Weisheit Schluss, bloß auf etwas gesünder aussehende KleiderständerInnen zu wechseln. Es werden immer Idealmaße bleiben, die propagiert werden. Das Problem ist das Schönheits-Ideal selbst, es muss weg. Die Ausrichtung des Menschen am Ideal muss weg.

    10 Models auf dem Catwalk, die alle gleichförmig schlank, weniger schlank oder vollschlank sind, werden immer ein Ideal darstellen, das viele/fast alle nicht erreichen können und die daraus folgende Diskrepanz wird immer problematisch sein und zu Essstörungen beitragen. Was also her muss, ist Vielfalt, und das nicht nur bei Models, auch bei SängerInnen, SchauspielerInnen, Menschen in Werbeclips - aber genau das wird schwierig sein, weil es unprofitabel ist: Ein Film mit nicht-idealen DarstellerInnen schauen weniger, Produkte, für die nicht-ideale Personen werben, kaufen weniger, und Kleider, die von nicht-idealen Models präsentiert werden, will keiner tragen.

    • @Laurenz Kambrück:

      Aus einem Maximalgewinnstreben heraus propagierte Ideale sind immer problematisch, da bin ich völlig Ihrer Meinung. Was da betrieben wird ist eindeutig Missbrauch. Missbrauch an Menschen, die zwar über 18 sind, aber immer noch zu jung um sich schon angemessen zu wehren.

       

      Ganz korrekt scheint mir Ihre Behauptung, Anorexie sei eine Krankheit zu der man nicht anstiften könne, allerdings nicht zu sein. So weit ich weiß, ist Anorexie der medizinische Fachbegriff für eine krankheitsbedingte Appetitlosigkeit, in deren Folge irgendwann das natürlich Hungergefühl flöten geht. Wenn sie, wie üblich, im Zusammenhang mit einer Tumor- oder Krebserkrankung oder mit Drogenmissbrauch auftritt, ist "Anstiftung" natürlich kein Problem.

       

      Die Magersucht (A. nervosa) ist aber eine Sonderform der Anorexie. Eine, die über die Medien viel bekannter geworden ist als ihre großen Geschwister. Dazu kann man zweifellos anstiften. In dem Sinne nämlich, in dem man auch entsprechend vorbelastete Kids dazu anstiften kann, auf den Strich zu gehen. Von selber kämen die ja auch nicht drauf sich zu verkaufen. Man muss ihnen schon etwas bieten, was sie sonst nicht kriegen aber wollen. Darauf passt "Anstiftung" ganz gut.

       

      Wer seinen Appetit lange genug unterdrückt, weil man ihm eingeredet hat, er stehe dem Erreichen seiner Ziele im Weg, der hat irgendwann nicht mal mehr Hunger. Dann wird’s gefährlich.

       

      Im Übrigen haben Sie und Kleopatros natürlich recht: Für Menschen, die übergewichtig werden, weil sie der Werbung mehr vertrauen als dem eigenen Körpergefühl, gilt das Gesagte auch, nur eben andersrum. In sofern wäre ein Gesetz gegen Fastfood- oder Zucker-Werbung der nächste logische Stritt. Einer, den die Politik aus Angst um ihre Zahlen vermutlich nicht so schnell gehen wird. Ob ich das schlimm finden will, muss ich mir bei Gelegenheit mal überlegen.