März 2017 in rechten Medien: Alles Verbrecher
Wie kriminell sind Ausländer? Wer ist das Volk? Und: Ist die Gewerkschaft Verdi die neue Stasi? Das waren die Themen rechter Medien in diesem Monat.
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Wenn es so etwas gibt, wie das Schwarzbrot des rechten Journalismus, so ist das wohl die „Ausländerkriminalität“. Der Begriff ist eigentlich falsch, denn meistens geht es gar nicht um AusländerInnen, sondern um Menschen, die nicht Weiße sind – und deshalb von Rechten nicht als Deutsche akzeptiert werden. Auch um „Kriminalität“ geht es meistens nicht im Sinne von verurteilten Straftätern, sondern um Anzeigen wegen Straftaten. Der Fokus auf solche Meldungen dient dem Wunsch, nicht-weiße Menschen im Allgemeinen und nicht-weiße EinwanderInnen speziell als grundsätzlich kriminell darzustellen und damit Sanktionen für Nicht-Weiße zu begründen.
Der rechte Blog „PI-News“ berichtet über solche „Kriminalität“ anscheinend systematisch. In regelmäßigen Abständen wird eine Liste von Polizeimeldungen veröffentlicht, die Straftaten vermeintlich nicht-weißer TäterInnen aufzählt. Im März erschienen fünf solche Artikel (1, 2, 3, 4, 5), die insgesamt 63 Straftaten in einem Zeitraum von rund drei Wochen behandelten – allerdings beinhaltete die Auflistung auch 3 Fälle, in denen es um Gerichtsprozesse und weiter zurückliegende Taten ging, 8 Taten, die bereits im Januar vermeldet worden waren und 6 Taten, die in Österreich passierten. Da in Deutschland monatlich aber rund 500.000 Straftaten angezeigt werden, ist die Liste von „PI-News“ weder umfassend noch annähernd repräsentativ.
In der Aufzählung von „PI-News“ geht es um 9 Fälle von Vergewaltigung und 39 sexuelle Übergriffe und Belästigungen und 14 mal um Körperverletzung. In einem Fall geht es um Mord. In 21 Fällen wurden auch Verdächtige gefasst, in 33 Fällen gab es nur eine Anzeige und es wurden sowohl Zeugen, als auch die Verdächtigen noch gesucht. Dass es sich bei den TäterInnen um Nicht-Weiße handelt, leitet „PI-News“ aus der TäterInnenbeschreibung ab, in 11 Fällen wurde dieser beispielsweise als „südländisch“ beschrieben, in 10 Fällen als „dunkelhäutig“.
Interessant sind zwei Fälle, in denen es keine ethnisierte Beschreibung von der Polizei gibt und „PI-News“ argumentiert, dass diese dennoch Nicht-Weiße sein müssten: „Die Polizei möchte anscheinend die Täter nicht finden oder warum lässt sie bei der Personenbeschreibung trotz anderer vorliegender Details die wahrscheinliche Volkszugehörigkeit/Ethnie weg?“ Interessant ist ebenfalls, dass es den AutorInnen offenbar nicht um die Taten an sich geht oder die Opfer – sondern nur um die TäterInnen. In einer Pressemitteilung der Polizei werden zwei ähnliche sexuelle Übergriffe beschrieben, einmal begangen von einem „hellblonden“ Täter und von einem „südländisch“ aussehenden Täter. Nur die zweite Meldung schaffte es in die Aufzählung von „PI-News“.
Dass eine solche anekdotische Liste nicht ausreicht, um tatsächlich den Beweis zu führen, Nicht-Weiße seien krimineller als Weiße, scheint auch „PI-News“ klar zu sein. In fast jeder dieser Listen wird als Vorwarnung erklärt: „Straftaten von ‚Flüchtlingen‘ [werden] systematisch vertuscht“. Zudem verlinkte „PI-News“ auf die abenteuerliche Zahlenspielerei mit dem Titel „Gewalt und Kriminalität“ auf dem Blog „Tichys Einblick“.
Darin stellt die Autorin fragwürdige Vergleiche auf, um zum Schluss zu kommen, dass AusländerInnen grundsätzlich krimineller seien als Deutsche. Dafür kontrolliert sie die Fall- und Anstiegszahlen auf Staatsangehörigkeit, begründet aber nicht, warum AusländerInnen aus sämtlichen Ländern eine gemeinsame Kategorie darstellen sollten. Ebenso kontrolliert sie nicht auf sozioökonomische und demografische Faktoren, so dass unklar bleibt, ob es sich bei den von ihr berechneten Korrelationen nicht um Scheinkorrelationen handelt.
Insgesamt zeigt „PI-News“ dass die rechte Szene trotz ihrer rassistischen Fixierung auf Kriminalität von Nicht-Weißen nicht in der Lage ist, tatsächlich kompetente Berichterstattung oder Analysen zum Thema zu bringen. Diese Fixierung ist auch bei anderen rechten Medien wie Junge Freiheit und Compact deutlich: Im März berichteten sie ausschließlich über Kriminalität von Nicht-Weißen oder Ausländern und Linken.
Für die folgende Zusammenfassung der Diskussionen in der rechten Filterblase wurden die Social-Media-Auftritte von gut zwei Dutzend rechten Blogs und Medien beobachtet. Die präsentierten Themen wurden dabei am meisten geteilt und diskutiert. In regulären Medien waren sie teilweise kaum zu finden, fanden aber auf fast allen rechten Plattformen statt, oft mit mehreren Artikeln. Für die Zusammenfassung werden, wie in den vergangenen Monaten, nur die Artikel von „PI-News“, Junge Freiheit und Compact besprochen.
Merkels Definition des Volkes
Ende Februar äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Mecklenburg-Vorpommern einen offenbar sehr bedeutenden Satz. „Es gibt keinerlei Rechtfertigung, dass sich kleine Gruppen aus unserer Gesellschaft anmaßen zu definieren, wer das Volk ist“, sagte Merkel beim Landesparteitag der CDU. „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Um diesen zweiten Satz geht es. Was meinte Merkel damit? Die gängige Deutung in regulären Medien war, dass sie sich damit von Pegidisten abgrenzen wollte, die gerne den Slogan „Wir sind das Volk“ für sich reklamieren. Außer der Bild und der Welt kümmerten sich kaum andere um die Exegese von Merkels Worten.
Doch für die rechten Medien beweist Merkels Satz wieder einmal alles: Nämlich, dass sie heimlich die weiße deutsche Bevölkerung durch EinwanderInnen ersetzen möchte. Dieses Schreckgespenst einer „Umvolkung“ war früher ein Lieblingsthema der NPD, heute treibt es AfDlerInnen und rechte PublizistInnen um. Schon am nächsten Tag verlinkt „PI-News“ auf das rechte Blog „Journalistenwatch“, das Merkel zum „Staatsfeind Nr. 1“ erklärt, weil das Grundgesetz das Volk anders definiert als es die Kanzlerin in ihrer Rede tat. Diese Argumentation findet sich in rechten Medien mehrfach wieder, beispielsweise bei den AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und Frauke Petry, aber auch beim Focus-Autor Alexander Wendt.
Bei Compact heißt es, dass Merkel mit diesem Satz die Demokratie abgeschafft habe. Mit ihm seien nun Touristen und Einwanderer Staatsbürgern gleichgestellt. Damit werde die „Gemeinschaft“ abgeschafft und das Volk verschwinde als Souverän – und so auch die Demokratie. Auch die Junge Freiheit stellt ähnliche Vergleiche auf: Somit würde auch jeder „IS-Terrorist, der mit einem hinausgezögerten Asylverfahren ein Bleiberecht erwirkt“ zum deutschen Volk zählen. Merkels Handeln sei geeignet, die „die verfassungsmäßige, kulturelle, soziale, lebensweltliche Ordnung umzustürzen“ – und zuletzt fragt das rechte Blatt, ob sich in Deutschland noch genügend „Widerstandskräfte“ fänden, die dem entgegenwirkten.
Robin Alexanders neues Buch
Das neue Buch von Robin Alexander, „Die Getriebenen“, wurde dagegen auch in regulären Medien breit besprochen. Alexanders zentrale These – so auch zur Veröffentlichung als Text in der Welt zu lesen – ist, dass die Bundesregierung im September 2015 nicht aus Mitmenschlichkeit oder Verantwortung die Grenze für Flüchtlinge offen ließ, sondern aus Führungsschwäche. Es habe bereits einen Befehl für die Bundespolizei gegeben, die Grenze zu schließen. Dieser sei aber in letzter Minute umgeschrieben worden, weil niemand die Verantwortung übernehmen wollte.
Für rechte Medien ist auch dieses Buch der Beweis, dass die Kanzlerin nur das Übelste für Deutschland will. „PI-News“ feiert Robin Alexander und sein Buch als „ein vielleicht größerer Türöffner [für rechte Themen]“ als Thilo Sarrazin und „Deutschland schafft sich ab“. Im Artikel heißt es, nun sei deutlich , dass diejenigen, die vor der Grenzöffnung gewarnt hatten, „klar sahen“ und zu Unrecht „beleidigt und bedroht“ wurden.
Ein weiterer Artikel kommt zum Schluss, dass durch das Buch deutlich werde, „was für eine erbärmlich feige Bande von Heuchlern unser Land regiert“. Desweiteren verlinkt der Blog auf einen Artikel im Cicero und auf ein Video von der AfDlerin Beatrix von Storch. In beiden wird ein Untersuchungsausschuss gefordert.
In der Jungen Freiheit wird das Buch als Beweis eines „schockierenden Regierungsversagens“ gesehen. Es habe ein „willensstarker Politiker, der auf den Tisch haute“, gefehlt. Zum Schluss heißt es, dass es zwar Verschwörungstheoretiker gebe, die hinter der „Asylkrise“ einen Masterplan sähen, doch die Realität sei noch schlimmer: „Es gibt überhaupt keinen Plan“.
Verdis Broschüre gegen Rechtspopulisten
Ende März erschien auf der Website der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Niedersachsen eine Broschüre, die Hilfe beim Kampf gegen Rechtspopulisten und AfDlerInnen in Betrieben versprach. Während die Broschüre in regulären Medien kaum Beachtung fand – mit Ausnahme eines Berichtes in der Bild – wurden in rechten Blogs und Medien zahlreiche Artikel zum Thema geschrieben.
Unter anderem hatte die Broschüre vorgeschlagen, dass Rechtspopulisten im Betrieb isoliert oder im Betrieb oder auch öffentlich geoutet werden sollten. Noch am selben Tag reagierte Verdi, nahm die Broschüre vom Netz und Gewerkschaftschef Frank Bsirske distanzierte sich von dem Papier, wenngleich er bekräftigte, dass die Auseinandersetzung mit der AfD notwendig sei.
Compact sprach von dem Papier als „Inquisitionsbroschüre“ und als „Denunziationsbroschüre“. In der Wortwahl blieben auch die anderen rechten Medien nahe dran: Sowohl „PI-News“ als auch Junge Freiheit verglichen das Papier mit den Methoden der Stasi. Für „PI-News“ hat die Broschüre „das Potenzial, die Demokratie innerlich zu zersetzen“. Auch die Pressemitteilung, die sich kritisch zur AfD positionierte, sei „mindestens demokratiefeindlich“, da es sich bei der AfD um eine „demokratische Partei“ handele.
Fake News
„PI-News“ übernimmt einen Bericht der österreichischen Seite „Wochenblick“, wonach es ein geheimes Papier der Bundesregierung gebe, um 12 Millionen Menschen nach Deutschland einwandern zu lassen. Spiegel Online zeigte auf, dass der Bericht zumindest irreführend war.
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