piwik no script img

Märkte in ArgentinienMist, eine linke Regierung

Die rechte Regierung in Buenos Aires steht vor der Abwahl. Die neue könnte sich gegen Sparauflagen wehren. Die Finanzmärkte mögen das nicht.

Am Sonntag jubelten in Buenos Aires Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Alberto Fernández Foto: ap

Buenos Aires taz | Der argentinische Präsident Mauricio Macri erlebte erst einen schwarzen Sonntag, dann folgte ein schwarzer Montag an den Finanzmärkten. Unsicherheit, Nervosität und Hektik bestimmten schon vor Handelsbeginn das Szenario an und um die Börse in Buenos Aires. Zu Beginn dieser Woche sackte dann der argentinische Aktienindex Merval um gut 35 Prozent ab, verloren Staatsanleihen bis zu 15 Prozent ihres Werts, der Peso verlor zum Dollar 20 Prozent an Wert.

Damit reagierten die Finanzakteure auf das schlechte Abschneiden des Präsidenten und seiner Regierungskoalition bei den Vorwahlen. Mit lediglich 32,1 Prozent landete Macri mit seinem Vizekandidaten Miguel Pichetto abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Dagegen setzte sich die Mitte-links-Opposition mit Alberto Fernández als Präsidentschaftskandidat und Cristina Kirchner als Vizepräsidentschaftskandidatin mit 47,7 Prozent der Stimmen deutlich an die Spitzenposition für die Wahl am 27. Oktober.

Macris Wirtschafts- und Finanzpolitik bestand zuletzt nur noch darin, den Wechselkurs stabil und bis zur Wahl im Oktober die Inflation im Zaum zu halten. Helfen sollte dabei der größte Stand-by-Kredit in der Geschichte des Internationalen Währungsfonds. Doch von den 57 Milliarden Dollar hat die Regierung schon jetzt nahezu 52 Milliarden ausgegeben. Im Gegenzug für den Kredit verpflichtete sich die Regierung, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen, ohne Berücksichtigung der Zinsen. Eine Mitte-links-Regierung könnte das verweigern, schließlich drohen sonst harte Kürzungen im Sozialbereich.

Die Märkte goutieren diese Aussichten nicht: Kostete ein Dollar am vergangenen Freitag noch 46,20 Peso, so mussten am Montag bei Handelsschluss 56 Peso dafür berappt werden. Schlimmeres verhinderte die Zentralbank, die 105 Millionen Dollar auf den Markt warf und mit einer Anhebung des Zinssatzes für kurzfristige Anleihen auf sagenhafte 74 Prozent gegensteuerte.

Um den Verfall des Peso einzudämmen, zahlt die Zentralbank bereits seit über einem Jahr Zinsen von über 60 Prozent. Die so verringerte Geldmenge soll die Inflation eindämmen, verteuert jedoch Kredite für Unternehmen und Konsumenten. Investiert und konsumiert wird denn auch nur das Nötigste. Allein im ersten Quartal 2019 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 5,8 Prozent. Dass zugleich der Dollar teurer wird, ist einer der wesentlichen Gründe für die steigende Inflation.

Immer mehr Familien in Armut

Macris erstes Amtsjahr endete 2016 mit einer Jahresinflationsrate von 45 Prozent. Im Jahr darauf waren es 35 Prozent und Ende 2018 Jahr waren es 48 Prozent. Für das laufende Jahr wurden bisher 40 Prozent prognostiziert. Nach dem schwarzen Montag muss auch hier neu kalkuliert werden.

Und weil die steigende Inflation immer mehr Argentinier*innen die Kaufkraft ihrer Einkünfte entzieht, rutschen immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze. Als arm gilt eine vierköpfige Familie, die ein monatliches Einkommen von unter 31.000 Peso (umgerechnet 522 Euro) hat. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb dieser Grenze. Und in der Mittelklasse wächst die Angst vor dem Abrutschen. Vor allem aus ihr kamen am Sonntag die entscheidenden Stimmen gegen Macris Wiederwahl.

„Heute sind wir alle ärmer als am Freitag“, sagte er am Montag und gab der Opposition die Schuld an den Kurs- und Wertverlusten. Bisher hat der Präsident keine neuen Maßnahmen verkündet. Es ist kaum wahrscheinlich, dass sich für Macri das Blatt in den verbleibenden Wochen noch wendet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es ist halt immer das Gleiche. Die Finanzelite hat bei linken Regierungen (berechtigt) Angst um ihre Pfründe, Kurse brechen deshalb ein und dann wird das Ganze automatisch als Beweis dafür gewertet, dass linke Politik "schlecht für die Wirtschaft ist" und es wird versucht so die eigene Macht zu erhalten/linke Politik zu verhindern. Die Finanzeliten und Konzernfreunde halten den Rest des Landes in Geiselhaft und oft genug auch mit Erfolg.