piwik no script img

Märchenstunde bei der Union

Alles wird wieder gut: CDU-Fraktionschef Frank Steffel und sein Kritiker Karl-Georg Wellmann erklären nach einer Klausurtagung den Personalstreit für beendet. Glaubwürdig wirkt das nicht, aber Steffel bezeichnet sich als lernfähig

„Und dann haben sie wohl den Adventskranz angezündet“, spottete eine Pressekollegin über so viel angebliche Besinnung. Nur Tage nach dem jüngsten Krach um CDU-Fraktionschef Frank Steffel soll der Personalstreit vorbei, soll die Fraktion geeint sein im Kampf gegen Rot-Rot.

Es hatte tatsächlich etwas von einer adventlichen Märchenstunde, als Steffel und Karl-Georg Wellmann, zuletzt Steffels schärfster Gegner, am Sonnabend mit dieser Botschaft aus einer Fraktionsklausur kamen und sich gemeinsam vor Mikrofone und Kameras setzen. Knapp vier Stunden Diskussion hinter verschlossenen Türen haben angeblich zur Versöhnung ausgereicht.

Wellmann hatte dem Fraktionschef in der vergangenen Woche zum wiederholten Mal den Rücktritt nahe gelegt und dazu anonym ein Papier verbreitet. In der Fraktionklausur entschuldigte sich Wellmann zwar für die Form seiner in fünf Punkten zusammengefassten Kritik. Vom Inhalt rückte er jedoch nicht ab.

Unter dem Titel „Warum braucht die CDU einen Wechsel an der Spitze der Fraktion?“ hatte Wellmann Steffel unter anderem seine miserablen Umfragewerte vorgehalten. Steffel hat selbst in der vergangenen Wochen weiter an Sympathie verloren, obwohl seine Partei nach oben stieg und an der SPD vorbeizog. Wellmann wirft ihm zudem vor, zu staatsmännisch zu agieren, statt die Senatspolitik pointiert zu attackieren. Steffel fehle zudem ein integrativer Führungsstil. Zum letzten Punkt kündigte Wellmann am Samstag an, man wolle „Ressourcen, die in der Fraktion vorhanden sind, besser einsetzen“. Weder er noch der neben ihm sitzende Steffel nannten Namen. Auf die Frage, welche Konsequenzen er aus der Kritik an ihm ziehe, blieb der Fraktionschef allgemein, sprach davon, dass er mit 36 Jahren noch lernfähig sei.

Steffel hatte sich Mitte vergangener Woche überraschend zu angeblichen persönlichen Vorwürfen jenseits des Wellmann-Papiers geäußert, die seine Familie und seine Firma betreffen sollen. Nach seiner Darstellung wollte er mit seinem Dementi unkorrekten Veröffentlichungen zuvorkommen, die er nach Gesprächen mit zwei Fraktionskollegen erwartete. Namen nannte Steffel nicht. „Nicht nur als zynisch, sondern als eine Unverschämtheit“ bezeichnete Steffel Spekulationen, er könnte die Gerüchte selbst in die Welt gesetzt haben, um Mitleidspunkte zu sammeln. Die jüngsten Vorwürfe gegen den bis 2004 gewählten Steffel hatten seine Position an der Fraktionsspitze eher gefestigt. Selbst innerparteiliche Gegner nannten vor allem die anonyme Form des Wellmann-Papiers „unqualifiziert“.

Steffel ist in Teilen der Fraktion und der Partei seit seiner von groben Pannen begleiteten Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl 2001 umstritten. Seit Mitte dieses Jahres kochte die Kritik mehrfach hoch. Abgelöst werden könnte er nur nach einem freiwilligen Rücktritt oder durch eine Abwahl mit Zweidrittelmehrheit. Nachfolger im Wartestand ist der früherer Finanzsenator Peter Kurth, der aber nach Einschätzungen aus seinem eigenen Lager derzeit nicht einmal über eine einfache Mehrheit in der Fraktion verfügt. Von mehreren Abgeordneten jenseits der klaren Gegner heißt es, dass sie zwar mit Steffel unzufrieden, aber nicht bereit sind, ihn vorzeitig abzuwählen. 2004 hingegen, wenn der Fraktionsvorstand regulär neu gewählt wird, soll das anders aussehen.

Als Kurth-Alternative war in der vergangenen Woche auch der CDU-Haushaltsexperte und parlemantarische Geschäftsführer Nicolas Zimmer im Gespräch, der zur Klausurtagung Einsparmodelle für den Landesetat vorlegte. Er bestritt gegenüber der taz, sich selbst ins Gespräch gebracht zu haben. STEFAN ALBERTI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen