Macrons Vorschläge zu EU-Erweiterung: Erst der Rechtsstaat, dann EU-Geld
Frankreichs Staatschef will ein neues Verfahren für den EU-Beitritt. Das hat es einem inoffiziellen Papier zufolge in sich.
Auch in Berlin stieß Macrons Entscheidung auf Unverständnis. Doch nun hat der französische Präsident eine Reform des EU-Beitrittsverfahrens vorgeschlagen. Und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird es abhängen, wie es weitergeht.
Der Vorschlag, der als inoffizielles „Non-Paper“ in Brüssel verteilt wurde, hat es in sich. Macron bekennt sich darin zunächst noch einmal zur „europäischen Perspektive“, die die EU den Ländern des Westbalkans versprochen hat. Es gehe nicht darum, Albanien oder Nordmazedonien auszugrenzen, sondern die EU fit für neue Beitritte zu machen, so die Botschaft aus Paris.
In der Praxis läuft Macrons Reformvorschlag jedoch auf einen Hürdenlauf hinaus. Zunächst will er die bisher üblichen 35 Verhandlungskapitel abschaffen. Sie sollen von sieben neuen „Etappen“ abgelöst werden, die sich um konkrete Politikbereiche drehen. Am Anfang steht der Rechtsstaat, am Ende das Geld.
Es soll Sanktionen geben
Erst wenn eine Etappe erfolgreich abgeschlossen ist, soll die nächste folgen – das war zuvor anders. Macron will so erreichen, dass neue EU-Kandidaten ihre Hausaufgaben machen und erst dann vorankommen, wenn sie den Rechtsstaat ernst nehmen. Dies ist offenbar eine Lehre aus der ersten Erweiterung auf dem Balkan. Bulgarien und Rumänien haben bis heute große Probleme mit Korruption und organisiertem Verbrechen.
Wenn eine Etappe nicht erfolgreich abgeschlossen wurde, soll es Sanktionen geben. Die Beitrittsverhandlungen können dann eingefroren werden, oder das Land muss zurück auf „Anfang“. Bisher gibt es diese Möglichkeit nicht. Die Gespräche mit der Türkei, die seit Jahren auf der Stelle treten, laufen offiziell immer noch weiter.
Insgesamt will Macron die Regeln für Beitrittskandidaten vereinfachen und stärken. Zugleich möchte der Präsident verstärkt auf den konkreten Nutzen eines Beitritts für die EU achten. Bereits im Januar, so wünscht es sich Paris, soll die EU-Kommission mit der Reform beginnen. Bei einer großen Balkankonferenz im Mai 2020 in Zagreb könnte es dann auch grünes Licht für Albanien und Nordmazedonien geben.
Allerdings ist unklar, ob sich die anderen Staats- und Regierungschefs der EU auf Macrons Pläne einlassen. Bei seiner Blockade im Oktober wurde er nur von Dänemark und den Niederlanden unterstützt. Seither ist es einsam geworden um Emmanuel Macron und seine großen Reformpläne.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder