Macron-Mitarbeiter schlägt Student: Gleiches Recht für alle?
Ein Video vom 1. Mai zeigt, wie ein Sicherheitsbeamter des französischen Präsidenten einen Demonstranten verprügelt. Gefeuert wird er deswegen nicht.
Ich verurteile mit einer absoluten Entschiedenheit die Gewalt, die heute erfolgt ist (…)“, hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 1. Mai getwittert, nachdem es am Rande von Demos zu Krawallen in Paris gekommen war. Zweieinhalb Monate später fragen sich die Französinnen und Franzosen: Gilt das auch für Macrons eigene MitarbeiterInnen?
Anlass ist ein Youtube-Video vom 1. Mai, auf dem zu sehen ist, wie ein leitender Mitarbeiter des Staatschefs in einen Polizeieinsatz eingreift und einen Demonstranten brutal verprügelt.
Die französische Tageszeitung Le Monde hat den Mann in schwarzem Blouson, heller Kapuzenjacke und Schutzhelm als Alexandre Benalla identifiziert, der während Macrons Wahlkampf für dessen Sicherheit zuständig war, dann im Elysée-Palast arbeitete und die Sicherheitsvorkehrungen für Reisen des Präsidenten organisierte.
Das Video zeigt, wie Benalla einen bereits am Boden hockenden Mann von hinten greift, im Würgegriff hochzieht und mehrfach von hinten auf ihn einschlägt, bevor der Mann zu Boden geht. Die Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag Vorermittlungen in dem Fall aufgenommen. Dabei gehe es um die Vorwürfe der Gewalt einer Person mit öffentlichem Auftrag und Amtsanmaßung.
Gegenfeuer von der Opposition
Elysée-Sprecher Bruno Roger-Petit sprach von einem „inakzeptablen Verhalten“ Benallas. Der Mitarbeiter habe um Erlaubnis gebeten, den Polizeieinsatz zu begleiten – in der „Rolle des Beobachters“, deshalb sei ihm das genehmigt worden. „Er hat die Erlaubnis bei weitem überschritten“, so Roger-Petit. Benalla sei nach Bekanntwerden des Vorfalls für 15 Tage ohne Gehalt freigestellt worden und im Folgenden in die Verwaltung versetzt worden.
Das soll alles gewesen sein?, fragt sich die französische Opposition. Linke wie rechte Politiker forderten mindestens die Entlassung Benallas und warfen dem Chef des Präsidialstabes Macrons vor, er habe gegen geltendes Recht verstoßen. Nach Artikel 40 der Strafprozessordnung hätte er, als Vorgesetzter Benallas, dessen Vergehen der Generalstaatsanwaltschaft melden müssen, so die KritikerInnen.
Sozialisten-Chef Olivier Faure wetterte auf Twitter, der Präsident könne nicht von einer exemplarischen Republik sprechen, aber es so aussehen lassen, als werde mit zweierlei Maß gemessen: „Ein Recht für die Franzosen, eines für die Mitarbeiter“ des Präsidenten, schrieb Faure.
Der Chef der Regierungspartei La République en Marche, Christophe Castaner, verwahrte sich bei „CNews“ gegen die Vorwürfe, Benalla sei vor dem Zugriff der Justiz bewahrt worden: „Niemand in diesem Land ist geschützt, was auch immer dessen Status sein mag.“ Präsident Macron kanzelte derweil Fragen von Reportern zu Benalla ab. Er ist momentan in der Provinz unterwegs, um seinen Ruf als volksferner Präsident der Städte und der Reichen aufzupolieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen