Machtwechsel in Uruguay: Konservativer Hardliner am Ruder
Nach 15 Jahren linker Regierung wird Luis Lacalle Pou neuer Präsident von Uruguay. Konflikte sind schon jetzt absehbar.
Emotional sei das für ihn kein Problem, „aber vielleicht für sie“, grummelte er. Mit „sie“ meinte Mujica die Konservativen, deren Kandidat Luis Lacalle Pou mit einem hauchdünnen Vorsprung von gerade mal 37.042 Stimmen die Stichwahl im vergangenen November gegen den linken Kandidaten gewonnen hatte.
So endet nach drei Regierungsperioden in Folge die Präsidentschaft des linken Bündnisses Frente Amplio. Und auch wenn die fünfzehn Jahre alles andere waren als ein sozialistischer Umbau, haben sie das Land doch nachhaltig verändert.
Uruguay ist nicht nur das am wenigsten ungleiche Land in Südamerika, es ist gemessen am Pro-Kopf-Einkommen auch das wohlhabendste. Die Wirtschaft schneidet im Nachbarschaftsvergleich seit Jahren ebenfalls gut ab, Arbeitslosigkeit und Inflation halten sich in Grenzen. Fortschrittliche Gesetze bezüglich Abtreibung und dem Anbau und Konsum von Cannabis sind in Kraft getreten. Zum Erbe der drei linken Legislaturperioden gehören auch gut organisierte soziale Bewegungen und starke Gewerkschaften.
Hardliner führt Innenministerium, Umweltressort ist neu
Am Sonntag wird der 46-jährige Lacalle Pou als jüngster Präsident seit dem Ende der Diktatur 1985 den Amtseid ablegen. Öffentliche Sicherheit war eines der zentralen Themen mit dem Lacalle Pou auf Stimmenfang ging. Mit Jorge Larrañaga macht er einen Hardliner zum Innenminister.
Larrañaga war der Motor des im vergangenen Jahr gescheiterten Referendums über den Aufbau einer Nationalgarde unter Einschluss der Streitkräfte. Die so gebildeten Einheiten hätten auch im Landesinneren eingesetzt werden können. Sollte die von Lacalle Pou angekündigte Haushaltssanierung als Kahlschlagpolitik zu sozialen Spannungen führen, könnte Larrañagas Ruf nach uniformierter Präsenz auf den Straßen vielleicht doch noch Zustimmung finden.
Neu ist das Umweltministerium. Jahrelang hatte die Frente das Thema Umweltschutz vernachlässigt und die Basisbewegungen schlicht ignoriert. Mit dem Ministerium für Wohnungsbau, Landmanagement und Umwelt will Lacalle Pou dort punkten.
Dabei wird Irene Moreira als Ministerin spätestens im Rampenlicht stehen, wenn die finnische Firma UPM in diesem Jahr ihre dritte Zellstofffabrik in Betrieb nimmt. Schon lange laufen die Umweltorganisationen gegen das Megaprojekt Sturm, das nicht nur große Wassermengen benötigt und verunreinigt, sondern auch die Ausdehnung der Eukalyptusplantagen vorantreibt.
Offene Arme für...mal sehen
Für Aufsehen sorgte der international noch wenig bekannte Lacalle Pou mit seinem Vorschlag, die stagnierende Zahl der rund dreieinhalb Millionen Einwohner*innen Uruguays durch die Aufnahme von Flüchtenden zu erhöhen. „Uruguay war schon immer ein Land mit offenen Armen für Länder, die ihre Leute vertreiben, Venezolaner, Kubaner und von anderen Orten“, sagte der zukünftige Präsident. Bis zu 100.000 könnten sich bis zum Ende seiner Amtszeit 2025 niederlassen.
Dabei hatte er jedoch die vor der Wiederkehr des Peronismus flüchtenden Unternehmer*innen aus Argentinien im Blick. „Hier ist ein Ort für Menschen, denen es nicht schlecht geht, und denen man sagen kann: kommt! Hier werden eure Investitionen respektiert, hier besteht Rechtssicherheit und hier kann man gut mit der Familie leben“, so Lacalle Pou.
José Mujicas Antwort sorgte für nicht weniger Aufsehen: „Anstatt 100.000 argentinische Hosenscheißer zu holen, sollten wir dafür sorgen, dass unsere hier investieren.“ Schließlich seien 24 Milliarden US-Dollar aus Uruguay über die ganze Welt verstreut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht