Machtwechsel in Brasilien: Temer setzt auf Sparprogramm

Mit dem neuen Präsidenten soll die Sozialpolitik der Vorgängerregierungen Vergangenheit werden. Tausende protestieren gegen die Machtübernahme.

Michel Temer in einer Menschenmenge

Winke, winke Sozialpolitik:der neue Präsident Michel Temer Foto: ap

RIO DE JANEIRO taz | Michel Temer hat am Mittwoch in seiner ersten Ansprache als Brasiliens neuer Präsident deutlich gemacht, wohin die Reise nach dem umstrittenen Regierungswechsel geht: Der Konservative kündigte eine Rentenreform, Revision des Arbeitsrechts, Sparmaßnahmen und Privatisierungen an. „Ohne eine Reform der Sozialversicherung kann der Staat schon bald die Zahlung der Renten nicht mehr garantieren“, sagte Temer.

Zuvor hatten 61 von 81 Senatoren für die Absetzung der bereits suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff gestimmt und damit ein monatelanges Tauziehen um die Macht beendet. Rousseff werden illegale Haushaltstricks und Kreditvergabe ohne Genehmigung vorgeworfen. Überraschenderweise darf sie auch in Zukunft politische Ämter ausüben. Die für ein Verbot notwendige Zweidrittelmehrheit kam in einer zweiten Abstimmung nicht zustande.

Nach der Senatsentscheidung sprach Rousseff von einer „Machtübernahme mittels eines parlamentarischen Putsches“. Mit Bezug auf die Militärdiktatur (1964–1985), während der sie verhaftet und gefoltert wurde, erklärte die 68-Jährige: „Es ist das zweite Mal in meinem Leben, dass ich mit einem Staatsstreich konfrontiert werde.“ Solche Kritik wies Temer von sich. „Putschisten sind die anderen, die mit unverantwortbarer Wirtschaftspolitik die Verfassung verletzten.“

Mit ihm soll die Sozialpolitik der Vorgängerregierungen Vergangenheit werden. Temer gehört zur wohlhabenden Elite, die in den Transferleistungen nur „Wahlkampfgeschenke der Arbeiterpartei“ gesehen hat.

Botschafter zurückgerufen

Nach seiner Vereidigung brach Temer zu seinem ersten großen internationalen Auftritt nach China auf, wo sich der bisher recht unbekannte Politiker der G-20-Gruppe vorstellen wird. Auf einen herzlichen Empfang bei Vertretern der Brics-Gruppe, der neben Brasilien und China auch Indien angehört, darf er sich nicht freuen. Die Außenpolitik setzt seit Beginn der Übergangsregierung im Mai auf eine Annäherung an die USA statt wie zuvor auf alternative oder regionale Allianzen.

In fast allen großen Städten des Landes protestierten Tausende Menschen am Mittwoch gegen den Machtwechsel. Roberto Amaral, Koordinator der Protestplattform Frente Brasil Popular, sieht weitere Konfrontationen voraus: „Um das angekündigte Regierungsprogramm umzusetzen, muss Temer auf Repression setzen.“

Roberto Amaral, Aktivist

„Um das umzusetzen, muss Temer auf Repression setzen“

International droht die Machtübernahme der Konservativen Brüche unter den lateinamerikanischen Staaten auszulösen. Die Linksregierungen in Bolivien, Ecuador und Venezuela riefen aus Protest ihre Botschafter zurück. Brasiliens Außenminister José Serra warf den Ländern „Unkenntnis der Lage“ vor und rief ebenfalls die Botschafter zurück.

Andere Staaten wie Chile oder die USA bezeichneten den Regierungswechsel als verfassungskonform und wünschten sich „weiterhin gute Beziehungen“.

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