Machtkampf: Ex-Minister spaltet SPD

Karl-Heinz Funke, Bundeslandwirtschaftsminister außer Dienst, war lange der starke Mann der SPD im friesischen Varel. Was er wollte, geschah. Heute hat sich das geändert, und schuld daran ist vor allem er selbst.

Ex-Landwirtschaftsmininister Funke beißt zu. Bild: DPA

Drei Gewissheiten gab es bislang in Varel am Jadebusen, aber nur zwei davon gelten weiter: Nach jeder Ebbe kommt die Flut und der Rhabarberkuchen im Kurhaus von Varel-Dangast schmeckt zu jeder Jahreszeit. Was nicht mehr gilt: Karl-Heinz Funke, Zotenreißer, Bauer, Trauerredner und bundesweit bekannt geworden als Landwirtschaftsminister unter Gerhard Schröder von 1998 bis 2001, hat Macht und kann sie ohne Probleme ausspielen.

Das war lange so, aber spätestens jetzt ist es vorbei, nachdem Funke bei dem Versuch gescheitert ist, per Gerichtsbeschluss die Wahl eines Ersten Stadtrates für Varel zu verhindern. Seit 1972 ist Funke in seinem Heimatort Ratsmitglied für die SPD, eigentlich aber war er, wie manche sagen, eine Art Franz-Josef Strauß vom Jadebusen: ein Strippenzieher, machtlüstern und rhetorisch begabt, trinkfest und populistisch. Was Funke wollte, das wurde gemacht. Und wer nicht mitzog, der war unten durch.

Inzwischen ist Funke nicht mehr der starke Mann, aber anstatt sich aufs Altenteil zurückzuziehen, macht er weiter wie bisher. Die Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Anfang der Woche ist dabei nur der vorläufige Höhepunkt in einem seit Monaten andauernden Zerwürfnis, dessen Folgen für die SPD in Varel verheerend sind: Im Stadtrat sind die Sozialdemokraten nur noch eine Rumpffraktion, sechs von einst 18 SPD-Ratsmitgliedern emanzipierten sich Anfang des Jahres von dem mächtigen Mann und machen seither als Soziale Demokraten Varel (SDV) gemeinsam mit CDU, FDP und Grünen Politik. Im Stadtrat ist Funkes SPD seitdem oft die einsame Opposition - und das in einem Ort, der über Jahrzehnte eine sichere Bank für die Partei war.

Funkes Gegner von den Sozialen Demokraten Varel sind nicht aus der SPD ausgetreten, aber ein Parteiordnungsverfahren gegen sie läuft, angestrengt vom Vareler SPD-Stadtverband. Funke, sagen sie, gehe es nicht mehr um Argumente, und auch sein Gang vor Gericht sei nur ein erneutes Störmanöver, um Bürgermeister Gerd-Christian Wagner zu schaden, der wie Funke SPD-Mitglied ist. "Mein Eindruck ist, dass es nur darum ging", sagt etwa SDV-Sprecher Bernd Köhler. Nicht nur ihm kam es merkwürdig vor, dass das Amt des Ersten Stadtrats, das die SPD vor Jahren selbst eingeführt hatte, nun plötzlich "zu teuer und unnötig" sein sollte, wie Funke angemerkt hatte.

Die Kandidatenwahl soll heute wie geplant stattfinden, doch ob Bürgermeister Wagner in Zukunft in Ruhe wird arbeiten können, ist fraglich. Funke hat ihn auf dem Kieker und Beobachter sind sich sicher, dass sich daran nichts ändern wird: "Funke hat Wagner nie gewollt", sagt einer, der ungenannt bleiben will. Unter anderem laste Funke Wagner bis heute an, dass er den Funke-Freund und Fraktionsvorsitzenden der Rumpf-SPD, Alfred Müller, 2006 bei der Wahl des SPD-Kandidaten fürs Bürgermeisteramt aus dem Feld geschlagen hat.

Seitdem wird quergeschossen. Als Wagner bei der Suche nach einem Betreiber für den Vareler Kurmittelbetrieb mit CDU, Grünen, FDP und der Wählervereinigung MMW stimmte, wurde er prompt nicht mehr zu den Sitzungen der SPD-Fraktion eingeladen. Wagner sagt, er habe nicht mit der SPD gestimmt, weil er sich "für das wirtschaftlichste Angebot" entschieden habe, schließlich sei er "Bürgermeister aller Vareler" und müsse die Finanzen im Auge behalten. Um die Jahreswende erfolgte der Ausschluss der sechs heutigen SDVler, weil auch die mehrfach anders entschieden hatten, als es die unter Funke etablierte eiserne Fraktionsdisziplin vorsah. Die SPD-Fraktion zerbröselte, es gab die neue bunte Ratsmehrheit aus einer Jamaika-Koalition plus SDV - und die fügte Funke die wohl größte Niederlage seines Lebens zu: Er wurde nach 28 Jahren als Ratsvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister abgewählt.

Seitdem ist er nur noch einfaches Ratsmitglied. Und das will er auch bleiben - "aus Liebe zu meinem Heimatort Varel", wie er nach seiner Abwahl beteuerte. Gestern war er für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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