Machtkampf in der Elfenbeinküste: Westafrika droht mit Einmarsch
Nach der zunehmenden Gewalt gegen Ouattara-Anhänger werden jetzt im Rebellengebiet Gbagbo-Anhänger nach Liberia vertrieben. Westafrika droht mit einer Militärintervention.
BERLIN taz | Die Kleinstadt Butuo im Nordosten Liberias ist ein symbolisch wichtiger Ort. Zu Weihnachten 1989 traten hier erstmals die Kämpfer des damals völlig unbekannten liberianischen Rebellenführers Charles Taylor in Aktion, als sie aus der Elfenbeinküste heraus die Grenze überquerten und einen 13-jährigen Krieg begannen. Zu Weihnachten 2010 erlebt Butuo erneut ungebetenen Besuch aus der Elfenbeinküste. 14.000 ivorische Flüchtlinge sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks in und um Butuo gelandet, um der eskalierenden Gewalt in den unwegsamen Bergwäldern der westlichen Elfenbeinküste zu entkommen.
"Die Flüchtlinge müssen stunden- oder gar tagelang laufen, bevor sie auf Flößen die vielen kleinen Flüsse überqueren, die die natürliche Grenze zwischen ihrem Heimatland und Liberia bilden", erklärte das UNHCR am Weihnachtsfeiertag. "Manche Familien sagen, sie seien drei bis vier Tage durch den Busch gelaufen, mit sehr wenig Nahrung." Viele Kinder seien krank. Manche Flüchtlinge geben an, sie seien von der nordivorischen Rebellenbewegung FN (Forces Nouvelles) zu einem 80 Kilometer langen Umweg gezwungen worden, weil die FN weiter nördlich die Grenze dichtgemacht habe.
Die FN-Rebellen unterstützen den Sieger der ivorischen Präsidentenwahl von Ende November, Alassane Ouattara, der sein Amt nicht antreten kann, weil Amtsinhaber Laurent Gbagbo sich weigert, die Macht abzugeben. Die Jagd auf Ouattara-Anhänger in der südivorischen Metropole Abidjan und anderen Orten hat nach UN-Angaben bisher mindestens 173 Tote gefordert. Im Gegenzug gehen FN-Kämpfer im Westen der Elfenbeinküste gewaltsam gegen Gbagbo-Anhänger vor. Schon vor mehreren Wochen wurde von regelrechten Menschenjagden in den Gebieten Man und Danané berichtet.
Sorge vor "eskalierender Gewalt, dem Einsatz von Söldnern, dem Verlust von Menschenleben und erhöhten ethnischen Spannungen" in der Elfenbeinküste äußerten auch die versammelten Staatschefs Westafrikas am späten Freitag zum Abschluss eines Sondergipfels der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) in Nigeria. Sie bekräftigten, Ouattaras Status als "legitimer Präsident" sei "nicht verhandelbar", und Gbagbo solle "sofort und friedlich" die Macht abgeben.
Sollte Gbagbo sich weigern, "wird die Gemeinschaft keine andere Wahl haben, als andere Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich legitime Gewaltanwendung". Entsprechende Planungen, auch für die Sicherung der ivorisch-liberianischen Grenze, sollten "unverzüglich" beginnen. Am Dienstag sollen die Präsidenten von Benin, den Kapverden und Sierra Leone nach Abidjan reisen, um Gbagbo ein letztes Mal persönlich zum Rücktritt aufzufordern.
Gbagbo wies dieses indirekte Ultimatum zurück. Ein Gbagbo-Regierungssprecher erinnerte daran, dass Millionen Westafrikaner als Einwanderer in der Elfenbeinküste leben, und drohte, die Ecowas-Erklärung werde "den Patriotismus der Ivorer anstacheln". Eine solche Reaktion könnte westafrikanische Länder aber eher darain berstärken, Maßnahmen zum Schutz ihrer Landsleute in der Elfenbeinküste zu treffen.
Bereits am Donnerstag hatte die westafrikanische Zentralbank BCEAO, die den gemeinsamen CFA-Franc des frankophonen Westafrika verwaltet, das ivorische Zeichungsrecht an Ouattara übertragen. In einem weiteren Signal zunehmenden internationalen Drucks auf Gbagbo hat der US-Satellit, der das Gbagbo-kontrollierte ivorische Staatsfernsehen RTI ausstrahlt, die Übertragung gekappt, so dass RTI außerhalb Abidjans nicht mehr zu empfangen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid