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Machtkampf in VenezuelaGuaidó redet nicht mit jedem

Die internationale Diplomatie droht im Falle Venezuelas zu scheitern. In Caracas spitzt sich die Situation vor einer neuen Großkundgebung zu.

Heizt neue Proteste an: Juan Guaidó in Caracas Foto: ap

Buenos Aires taz | Für den anvisierten Regimewechsel in Venezuela ziehen die US-Regierung und der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó weiter fest an einem Strang. „Dies ist nicht die Zeit für einen Dialog, es ist an der Zeit, das Maduro-Regime zu beenden“, sagte US-Vizepräsident Mike Pence am Freitag vor venezolanischen Staatsangehörigen im US-Bundesstaat Miami. Man arbeite jedoch auf einen „friedlichen Wechsel“ hin, fügte er hinzu.

Parlamentspräsident Guaidó hatte sich am 23. Januar zum Interimspräsidenten erklärt und war noch am gleichen Tag von US-Präsident Donald Trump anerkannt worden. Am Freitag erteilte der 35-jährige Guaidó den Vermittlungsbemühungen der uruguayischen und mexikanischen Regierung eine deutliche Absage. „Wir sind nur an einer Verhandlung interessiert, bei der es um die Termini für das Ende der Usurpation (des Präsidenten Nicolás Maduro, Anm. d. Red.) geht“, schrieb der 35-jährige Politiker in einem offenen Brief an die beiden Regierungen.

Mexiko und Uruguay haben für kommenden Donnerstag zu einer internationalen Konferenz zur Lage in Venezuela aufgerufen, bei der Auswege aus dem Konflikt zwischen Regierung und Opposition gesucht werden sollen. Guaidó erklärte, dass er daran nicht teilnehmen werde.

Auf ähnliche Vorbehalte dürfte deshalb auch das Vorhaben der Europäischen Union stoßen, die mit einer internationalen Kontaktgruppe nach Möglichkeiten einer Konfliktlösung suchen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte am Freitag nach einem Treffen der Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten, man sei mit lateinamerikanischen Regierungen in Kontakt, ein erstes Treffen sei für die kommende Woche vorgesehen.

Unterstützung für Guaidó

Im Machtkampf in Venezuela ist ein hochrangiger Militärvertreter in das Lager der Opposition übergelaufen. Luftwaffengeneral Francisco Yánez gab in einem Video in den Online-Netzwerken am Samstag bekannt, dass er Juan Guaidó als Übergangspräsident des Landes anerkenne. Er prangerte zudem die "diktatorische" Präsidentschaft von Staatschef Nicolás Maduro an, der sich derzeit vor allem wegen des Rückhalts der Armee an der Macht halten kann. (afp)

Damit konnte sich die EU auch drei Tage vor dem Ablauf des Ultimatums von Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden nicht auf eine Anerkennung Guaidós als Interimspräsident einigen. Die fünf europäischen Staaten hatten Maduro aufgefordert, bis Sonntag eine Neuwahl zur Präsidentschaft zu verkünden, andernfalls wollen sie Guaidó anerkennen.

Am Vorabend der angekündigten großen Demonstrationen von Opposition und Regierung ist es in Venezuelas Hauptstadt Caracas zu vereinzelten gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Zum Einsatz kam auch die berüchtigte Fuerza de Acciones Especiales (FAES), ein Sondereinsatzkommando der Nationalgarde.

Nach Einschätzung des venezolanischen Rechtsanwalts Keymer Ávila ist sie inzwischen die am meisten gefürchtete staatliche Sicherheitstruppe. „Sie gehen militärisch vor, nehmen eine bestimmte Zone wie eine Besatzerarmee ein und jagen ihre Zielobjekte“, sagt der Rechtsanwalt, der am strafrechtswissenschaftlichen Institut der Universidad Central de Venezuela in Caracas forscht.

Die FAES waren im Juli 2017 auf Anordnung von Maduro mit der Vorgabe gebildet worden, Verbrechen und Terrorismus zu bekämpfen. Als Teil der Nationalgarde unterstehen sie dem Innenministerium und somit dem Präsidenten. 2017 waren nach offiziellen Angaben 4.998 Menschen durch den Einsatz der öffentlichen Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. „Nimmt man diese Zahlen, kommt man auf geschätzte 1.500 Personen, die Opfer der Nationalgarde wurden, und die so, auch durch die Operationen der FAES, für rund ein Drittel der Toten verantwortlich ist“, meint Ávila.

Nach Angaben der venezolanischen Menschenrechtsorganisation PROVEA ist die FAES im vergangenen Jahr für den Tod von mindestens 205 Menschen verantwortlich.

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