Dreimal durchgefallen

Blamage von rechts: Republikanische Abgeordnete verweigern ihrem Fraktionschef Kevin McCarthy die Mehrheit bei der Wahl zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses

Wochenlang verhandelten die Republikaner hinter verschlossenen Türen – offenbar ohne Ergebnis Foto: Alex Brandon/ap

Aus Washington Hansjürgen Mai

Die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses haben es am Dienstag trotz mehrerer Wahlgänge nicht geschafft, einen neuen Sprecher ins Amt zu wählen. Der kalifornische Abgeordnete und republikanische Spitzenkandidat auf das Sprecheramt, Kevin McCarthy, konnte in keinem von drei Wahlgängen die erforderliche Mehrheit von 218 Stimmen erreichen.

Er ist damit der erste Abgeordnete seit 100 Jahren, dem es nicht gelungen war, das Sprecheramt trotz klarer Mehrheit einer Partei im ersten Anlauf zu gewinnen. Für McCarthy und die Republikanische Partei war es ein blamabler Einstand am ersten Tag in der Mehrheit.

„Kevin McCarthy wird nicht Sprecher werden“, sagte der Abgeordnete Bob Good aus Virginia nach der Wahlschlacht. Er gehört zu den insgesamt 20 Republikanern, die gegen McCarthy stimmten.

Das Drama, das sich über etwas mehr als vier Stunden im US-Kongress abspielte, hatte sich in den vergangenen Wochen bereits angedeutet. Einige Republikaner, die zum rechten Flügel der Partei zählen, erklärten bereits kurz nach den Kongresswahlen im November, dass sie nicht für McCarthy als neuen Sprecher stimmen würden. Für sie ist der Kalifornier weder konservativ genug noch habe er das nötige Rückgrat, um gegen die Demokraten und Präsident Joe Biden vorzugehen. „Wenn du den Sumpf trockenlegen willst, dann kannst du nicht den größten Alligator zum Anführer machen“, sagte der Abgeordnete Matt Gaetz aus Florida, der ebenfalls gegen McCarthy stimmte.

Der 57 Jahre alte McCarthy, der während der vergangenen vier Jahre die Republikaner als Minderheitsführer im Repräsentantenhaus vertreten hatte, zeigte sich trotz aller Hindernisse zuversichtlich, dass er am Ende – wann auch immer das sein möge – als Sieger hervorgehen werde.

Bereits vor dem ersten Wahldurchgang machte McCarthy seine Entschlossenheit hinter verschlossenen Türen deutlich. „Ich habe diese Position verdient. Wir haben die Mehrheit verdient und verdammt nochmal, wir werden heute gewinnen“, soll McCarthy am Vormittag laut anwesenden Parteimitgliedern erklärt haben.

Der Großteil seiner Partei steht auch weiterhin hinter ihm. In den drei Wahldurchgängen erhielt McCarthy zweimal 203 Stimmen und einmal 202 Stimmen.

Ohne die Wahl eines neuen Sprechers kann das Repräsentantenhaus seine eigentliche Arbeit nicht aufnehmen. „Wir alle sind hier, um etwas zu verändern. Wir können die Probleme allerdings nicht angehen, solange wir Kevin McCarthy nicht zum Sprecher gewählt haben“, sagte die Nummer zwei der Republikaner, Steve Scalise.

Doch nicht jeder ist davon überzeugt, dass Nancy Pelosis Nachfolger am Ende wirklich McCarthy heißen wird. „Eins ist klar, er hat die nötigen Stimmen nicht. Wir müssen als Partei herausfinden, wer die Stimmen hat“, sagte der republikanische Abgeordnete Byron Donalds aus Florida gegenüber CNN.

„Wir sehen stümper­haft aus. Die Demo­kraten jubeln“

Der texanische Republikaner Dan Crenshaw bei Fox News

Am Mittwoch – nach dem Redaktionsschluss der taz – wollte das Repräsentantenhaus einen neuen Anlauf unternehmen. Die Wahl wird so oft wiederholt, bis ein Kandidat die Mehrheit erhält. Im Jahr 1923 brauchte es ganze neun Wahldurchgänge, bis eine Entscheidung fiel.

Am Vormittag schaltete sich Ex-Präsident Donald Trump ein, als dessen Gefolgsleute die Abweichler gelten. Auf seiner Plattform Truth Social rief er zur Wahl von McCarthy auf. „Gestern Abend fanden einige wirklich gute Gespräche statt, und jetzt ist es an der Zeit, dass alle unsere großartigen republikanischen Abgeordneten für Kevin stimmen.“ Er appellierte an seine Parteikollegen: „Verwandelt einen großen Triumph nicht in eine riesige und peinliche Niederlage.“ McCarthy werde einen guten Job machen, „und vielleicht sogar einen großartigen“.

Die parteiinternen Querelen auf republikanischer Seite sorgten für gute Stimmung unter Demokraten und Haareraufen bei vielen Republikanern. „Wir sehen stümperhaft aus. Wenn ich es nicht besser wissen würde, dann könnte man glauben, dass die Demokraten diese Leute bezahlen: ‚Lass uns sichergehen, dass Republikaner aussehen, als hätten sie keine Ahnung vom Regieren, und die Mehrheit nicht verdienen.‘ Die Demokraten jubeln“, sagte der texanische Republikaner Dan Crenshaw bei Fox News.

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