MINUSGRADE in Berlin: Knackig kalt!
Seit Tagen herrscht extreme Kälte. Was tun gegen den Würgegriff des Winters? Wir haben Experten gefragt.
Friert die Stadt bald gänzlich ein?
So schlimm wird's nicht werden. Aber in einigen Kiezen könnte das Licht ausgehen - theoretisch. Mike Kaus vom Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) klärt auf: Zwei Eisbrecher, die "Usedom" und die "Oderberg", müssen rund um die Uhr die Verbindung zum Kraftwerk Klingenberg an der Rummelsburger Bucht freihalten. Denn das hat als einziges in der Region weder Lagerkapazitäten für Kohle noch einen Gleisanschluss. Sollte es noch kälter werden, kann Kaus sich vorstellen, dass drei oder vier Kohle-Schubverbände direkt hinter dem Eisbrecher Konvoi fahren.
Wann dürfen wir endlich aufs Eis?
Neue Wetter-Minus-Rekorde: Die Nacht zum Montag war die bisher kälteste Nacht dieses Winters in der Region. In Berlin sanken die Temperaturen bis auf minus 24 Grad an der Station Kaniswall am südöstlichen Rand der Hauptstadt. In Brandenburg wurden bis zu minus 23 Grad gemessen. Am heutigen Dienstag wird es vorsichtig wärmer - relativ gesehen. Nach minus 14 bis minus 19 Grad in der Nacht steigen die Temperaturen auf bis zu minus 8 Grad. Der Grund für den Temperaturanstieg: Es ist bewölkt. Mittwoch dann fast sommerliche minus 5 Grad, am Donnerstag soll es flockig schneien.
Eigentlich gar nicht. Die Wasserschutzpolizei hält die Warnung vor dem Betreten zugefrorener Gewässer unvermindert aufrecht. Die Eisdicke könne extrem unterschiedlich sein. An einer Stelle seien es vielleicht 15 Zentimeter, anderswo nur 5. Wie weit etwa die Rummelsburger Bucht schon zugefroren ist, will Andreas Meyer von der Wasserschutzpolizei nicht verraten. "Die Leute gehen eh schon viel zu früh aufs Eis, wir wollen sie nicht noch dazu animieren." Aus diesem Grund gibt die Behörde die Eisstärke grundsätzlich nicht bekannt. Trotzdem erfassen die Beamten täglich mit Eispickel und Messlatte, wie dick die Schicht ist. Wenn das nicht reicht, holen sie den Eisbohrer.
Was tun, wenn man einbricht?
In erster Linie sollte man es gar nicht dazu kommen lassen. Das heißt: Problemzonen erkennen und meiden. Oberkommissar Meyer weiß: "Gefahren lauern überall. Unter Brücken oder an Wassereinläufen. Auch dem Schilf sollte man fernbleiben." Warum das? Aus abgestorbenem Schilfrohr entwickelten sich Faulgase, die das Eis dünner werden lassen. Wenn es dann doch passiert ist, wird's leicht paradox: Einerseits hat man nicht viel Zeit - drei bis fünf Minuten, schätzt Meyer, "dann wird's schon knapp". Aber, auch wenn es schwerfalle: Das Beste sei, Ruhe zu bewahren, rät der Experte. Wenn man im Wasser nicht wild herumstrample, werde das kalte Blut nicht so schnell im Körper verteilt.
Sollte man im Bus die Luft anhalten?
Im Prinzip ja. Menschenansammlungen sind zurzeit die reinsten Brutkästen für Viren und Bakterien. "Je enger man beieinander hockt, desto kürzer sind die Übertragungswege", sagt Jörg Hofmann, Virologe an der Charité. Rhino-, Corona- und Influenzaviren machten die Runde, beim Niesen würden die Krankheitskeime über Aerosole, also winzige Tröpfchen, in die Umwelt geschleudert. "Da hilft auch kein Atemschutz." Denn die meisten seien nicht dicht genug, um Viren fernzuhalten, so Hofmann. Außerdem quellen die Filter durch die feuchte Atemluft auf und müssten nach ein bis zwei Stunden gewechselt werden. "Den Humbug kann man sich sparen", so der Mediziner. Regelmäßiges Händewaschen sei im Alltag erfolgversprechender gegen Keime. Außerdem sei es besser, statt in den Handschuh in den Ärmel zu niesen. "Und man muss ja nicht in jede Gummibärchenschale fassen."
Sind meine Blumen jetzt alle erfroren?
Nach der sibirischen Kälte könnte es im Frühjahr etwas schütter werden im Garten, warnt der Leiter des Berliner Pflanzenschutzamts, Holger Schmidt. "Während der milden Januartage ist der Saftstrom bei einigen Laubgehölzen schon in Gang gekommen", erklärt er. Das Wasser, das nach dem Laubfall in die Wurzeln gewandert war, sei zurück in Äste und Zweige geströmt. Bei Minusgraden trete es nun aus den Zellen aus und gefriere. "Die schon ausgetriebenen Knospen der Zierkirsche sind dann hin", weiß Schmidt. Schlimmstenfalls reiße sogar das Holz. Für Hobbygärtner trotzdem kein Grund zur Panik: Die Pflanzen haben Reserven. Noch schlafende Knospen treiben einfach später aus. Was dagegen mit Berlins bestgehasstem Schädling, der Miniermotte, passiert, wagt Schmidt nicht vorherzusagen: "Bei Kahlfrost ohne Schnee fehlt dem Schädling zwar die kuschelwarme Winterdecke." Aber auch wenn einige Larven erfrören - alle würden mit Sicherheit nicht ausgerottet.
Joggen bei minus 10 - ist das noch gesund?
Kommt drauf an. Darauf nämlich, wie trainiert man ist und ob man die richtige Atemtechnik beherrscht, sagt Lars Janshen vom Centrum für Sportwissenschaften und Sportmedizin Berlin: "Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen." Die winterliche Luft müsse durch die warme Schleimhaut erst angefeuchtet werden, sonst trockne die Luftröhre aus und Bakterien nisteten sich ein. Erst der Schleim transportiere die Krankheitserreger nach draußen. "Deswegen läuft uns die Nase", erklärt Janshen. Sein Rat für unbeirrte Hardcore-Jogger ist ganz simpel: "Lauftempo runter, locker traben und bewusst durch die Nase Luft holen."
Und was zieh ich meinem Hund an?
Wer hätte das gedacht: Seit Beginn der aktuellen Kältewelle gehen Wintermäntel für Vierbeiner weg wie warme Semmeln. "Für chinesische Nackthunde oder Dackel, die zu Bandscheibenproblemen neigen, kann das Sinn machen", findet auch Leo Brunnberg, Direktor der Kleintierklinik in Zehlendorf. "Schühchen sind aber zu viel des Guten." Jedenfalls sei ihm in den vergangenen 20 Jahren kein einziger Hund mit erfrorenen Pfoten begegnet.
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