piwik no script img

MIETENPROTESTWalpurgis-Wut im Wedding

Mit der "Antikapitalistischen Walpurgisnacht" will ein linkes Bündnis zum zweiten Mal gegen die Folgen der Gentrifizierung protestieren

Im vergangenen Jahr blieb es in Walpurgisnacht im Wedding weitgehend friedlich. Bild: reuters

Am Vorabend des 1. Mai organisiert ein linkes Bündnis die zweite „Antikapitalistische Walpurgisnacht“ im Wedding. Ende voriger Woche stellten OrganisatorInnen bei einer Pressekonferenz im Café Cralle das Programm vor. Ihr erklärtes Ziel: den Protest gegen Mietsteigerungen, Zwangsräumungen, Verdrängung, Rassismus und soziale Ausgrenzung auf die Straße tragen.

Den theoretischen Unterbau lieferte Martin, 25, Student der Sozialwissenschaften: „Wohnraum sollte keine Ware sein, sondern jedem Menschen zustehen“ – eine Utopie, wie der Aktivist zugab. „Wie die praktisch umgesetzt werden soll, wissen wir auch nicht.“ Die Aktionen rückten aber die Folgen unsozialer Mieten in den Blick der politisch Verantwortlichen.

Auch die 50-jährige Ines engagiert sich bei der „Antikapitalistischen Walpurgisnacht“. Die Sozialarbeiterin hat gelernt, dass die Menschen, die sie beruflich begleitet, „verdrängt, diskriminiert und schikaniert werden, weil andere den Hals nicht voll bekommen und sich einen Dreck ums Gemeinwohl scheren“. Vor Kurzem sei sie noch bei den Grünen aktiv gewesen – bis es bei denen geheißen habe, „das sei doch bloß die spezielle Sichtweise eines Berufsjammerers“.

Diesmal weniger als 6.000

Die 19-jährige Beccy ist im Wedding aufgewachsen und macht gerade Abitur. Aufwertung und Verdrängung träfen Jugendliche besonders hart, ist ihre Erfahrung: „Behörden und Sicherheitsdienste haben Jugendliche auf dem Kieker. Es gibt immer weniger öffentliche Plätze, wo wir uns treffen können.“ Die Polizeipräsenz an der Osloer Straße sei völlig übertrieben. „Da werden Menschen kontrolliert, weil sie die falsche Hautfarbe haben“, so die Schülerin.

Die OrganisatorInnen der Walpurgisnacht rechnen mit einigen tausend Teilnehmern. „Wegen konkurrierender Veranstaltungen werden es wohl nicht wieder ganz 6.000 wie letztes Jahr werden“, schätzte Martin. Er trat selbstbewusst der Befürchtung einiger Anwohner entgegen, dass es zu Gewalt kommen könnte. „Letztes Jahr ist auch alles friedlich geblieben.“ Man sei aber nicht für jeden einzelnen Teilnehmer verantwortlich. „Wir wollen uns da nicht in die Pflicht nehmen lassen – die es juristisch auch gar nicht gibt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • N
    Neusprech-Deutsch

    Übersetzung Neusprech-Deutsch:

    Mit der "Antikapitalistischen Walpurgisnacht" wollen Linksextremisten wie jedes Jahr zur Walpurgisnacht randalieren, zerstören sowie den auswärtigen in Fußstapfen der Eltern wandernden linksextremen Besserverdienerkindern Erlebnistourismus bieten. Zum Motto und dem benötigtem ideologischem Anstrich wird Protest gegen die "Gentrifizierung" genannte Tatsache des Zuzugs deutscher Bürger mit Arbeit in den total gesellschtlich wie wirtschaftlich zerstörten Wedding und die damit einhergehende Verbesserung verwendet.

  • P
    Propheten-Fresser

    Ich kann die Gentrifizietung im Wedding ja kaum abwarten. Seit 25 jahren schaue ich dem dortigen, Poebel zu, wie er sich von Jahrgang zu Jahrgang immer vulgaerer auffuehrt. Ich werde keinen dieser "Weddinger" vermissen. Ich waere fast von den Asozialen aus dem Wedding heraus gentrifiziert worden, aber jetzt bleibe ich.

  • D
    dobermann

    @ York Bartel

     

    "... Ein Volkswille auf verschiedene Gruppierungen verteilt, damit laut Allierten niemals wieder dieses Hitler Deutschland aufgebaut werden kann ..."

     

    beschreib doch mal diesen "einheitlichen volkwillen" ? welche "geister" sind in deutschland vertrieben worden? und das die mittelschicht, in der innenstadt, dem konsum frönt, während die unterschicht, da noch ziemlich resistent ist?

  • H
    Hans

    @Friedrichshainer:

    Gelungene Satire.

    "am Boxi unseren Latte drinken" Gold, einfach nur Gold.

  • D
    dobermann

    @ Friedrichshainer / latte-macchiato-trinker

     

    "....Wie Friedrichshainer wollen am Vorabend des arbeitsfreien Tages gemütlich am Boxi unseren Latte drinken ..."

     

    zeitgeist und klischee sind dann manchmal wohl das selbe:))

     

    ziat: ".... Der typische Latte Macchiato-Genießer

     

    Die Latte Macchiato-Genießer sind im Durchschnitt jünger als die Cappuccino-Trinker (20-40 Jahre) und zeichnen sich durch einen modernen Lebensstil aus. Vielseitiger und dynamischer als die Cappuccino-Liebhaber nehmen sie ihr Leben sehr selbstbewusst und voller Ehrgeiz in die Hand...."

     

    aus www.naanoo.com/follow_3086_3.html

     

    prenzlauerberg, ne du bist ja in friedrichshain, muss eine zumutung sein,oder ?!

  • YB
    York Bartel

    Ein kleines Mädchen ritz sich in die Arme, wegen Selbstmord"gedanken". Eine Boulemie Kranke übergibt sich wegen eines Schönheitsbildes. Die Tat (welche auch immer) war wochenlang perfekt geplant und war gut "durchdacht". Eine Prostituierte, die die Freier verzaubert und verführt, aber den Zuhälter abgöttisch liebt. Veranstaltungen wie unter Cesar, um das Volk zu beglücken. Ein Volkswille auf verschiedene Gruppierungen verteilt, damit laut Allierten niemals wieder dieses Hitler Deutschland aufgebaut werden kann und die einzigen, die Machtsüchtige erzeugen können, sind organisierte Schwerverbrecher. Künstler, die nur von den Leben, was die Luft anbietet. Überlebenskünstler. Verdrängung der Andersdenkenden und Gleichschaltung. Revolution ist und bleibt Handarbeit und wir als Demokraten müssen nun einmal den am weitesten, vorangeschrittesten Sozialstaat der Welt halten und weitere Menschenrechte für deutsche Arbeiter und Angestellte erkämpfen, damit wir frei von Geistern aller Art leben können. Alle Lügen und Verbrecher, die über unsere Köpfe hinweg sich Codes übermitteln und Marionetten Menschenhandel betreiben, stoßen bei der Unterschicht zu Recht auf Taube Ohren. Sonst endet das hier wie in Frankfurt am Main in der Innenstadt, wo alle nur das erste Mal etwas neues ausprobieren wollen, bis sie endlich hängen bleiben!

  • F
    Friedrichshainer

    Als zugezoener Friedrichshainer begrüße ich die Verlagerung des Protests. Hier im Kiez ist der Gentrifizierungsdrops ja längst gelutscht. Wie Friedrichshainer wollen am Vorabend des arbeitsfreien Tages gemütlich am Boxi unseren Latte drinken und hoffen, dass der abgerissene Spielplatz bald wieder aufgebaut wird. Revolution stößt hier auf Taube Ohren.

    Gut, dass jetzt auch endlich mal Leben im Wedding einzieht. Der Bezirk wird hip. Die Dönerverkäufer erfreuen sich steigender Umsätze. Den Freizeitrevolutionären werden bald die Studenten und Künstler folgen und drei mal dürft ihr raten, wer danach kommt ...