Lynchmord in Zentralafrikanischer Republik: Eingreiftruppen verlieren Geduld
Nach dem brutalen Mord vor laufenden Kameras kündigt der internationale Strafgerichtshof Ermittlungen an. Auch die afrikanische Eingreiftruppe wird aktiver.
BERLIN taz | Im Zuge des weltweiten Entsetzens über den Lynchmord, den Soldaten der zentralafrikanischen Armee am vergangenen Mittwoch in der Hauptstadt Bangui vor internationalen Kameras begingen, scheint sich die internationale Gemeinschaft zu einer härteren Gangart durchzuringen. Der Kommandeur der 5.400 Mann starken afrikanischen Eingreiftruppe Misca (Internationale Unterstützungsmission für Zentralafrika), General Martin Tumenta Chomu aus Kamerun, rief die zentralafrikanische Regierungsarmee FACA (Forces Armées Centrafricaines) dazu auf, kaserniert zu bleiben und nannte sie bewusst „ex-FACA", also ehemalige Armee.
„Ich fordere alle Gesetzlosen dazu auf, die Waffen niederzulegen, und alle ex-FACA, in den Kasernen zu bleiben", erklärte General Tumenta am Samstag auf einer Pressekonferenz in Bangui. „Wenn sie das nicht tun, werden sie als gesetzlose Banditen betrachtet und Misca-Truppen werden ihrem Treiben ein Ende bereiten." Es werde dann „hohe Opferzahlen" geben, drohte er.
Der Kameruner stellte sich damit gegen die zentralafrikanische Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza, die am Mittwoch vor Tausenden FACA-Soldaten eine feierliche Rede gehalten und ihren „Stolz" auf sie ausgedrückt hatte – direkt danach hatten einige dieser Soldaten den von Kameras aufgezeichneten Mord begangen. FACA ist die Bezeichnung für die zentralafrikanische Armee, die im März 2013 vor den mehrheitlich muslimischen Seleka-Rebellen die Flucht ergriffen hatte.
Nach dem Rücktritt der Seleka-Regierung in Bangui im Januar hatte Präsidentin Samba-Panza die FACA-Soldaten aufgefordert, wieder zum Dienst zu erscheinen, ohne zu überprüfen, was sie mittlerweile angestellt hatten, beispielsweise bei Massakern an Muslimen.
Kein einziger Täter verhaftet
Misca-Einheiten begannen am Samstag erstmals, aktiv Wohnviertel von Bangui nach Waffen zu durchsuchen und diese zu beschlagnahmen. Bisher hatten Misca-Soldaten höchstens in brenzligen Situationen Milizionären die Waffen abgenommen. Journalisten vor Ort haben kritisiert, dass trotz der Massaker an Tausenden von Menschen in Bangui seit Dezember kein einziger Täter von den rund 7.000 afrikanischen und französischen Eingriftruppen verhaftet worden ist.
Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Fatou Bensouda, kündigte am späten Freitag die Aufnahme eines Vorermittlungsverfahrens zu den aktuellen Vorgängen in der Zentralafrikanischen Republik an. Es gehe um Vorwürfe von „Hunderten von Tötungen, Vergewaltigungen und sexuelle Sklaverei, Zerstörung von Eigentum, Plünderung, Folter, Vertreibung sowie Rekrutierung und Einsatz von Kindern in Feindseligkeiten“, so Bensouda. Peter Bouckaert, Mitarbeiter von Human Rights Watch in Bangui, warnte, die Täter des Lynchmordes vom Mittwoch seien aufgrund der zahlreichen Fotos klar identizifierbar. „Sie posierten sogar mit der brennenden Leiche“, schrieb er auf Twitter.
Zentralafrikas neuer Premierminister André Nzapayéké rief in einer Radioansprache zum Ende der Gewalt auf. Bevor die Zentralafrikanische Republik Hilfe von außen beanspruche, müsse sie sich selber helfen, erklärte er. Die Barbarei müsse enden, die Lynchmörder müssten bestraft werden. Der als Technokrat geltende Regierungschef stellte mit dieser Rede seine Präsidentin Samba-Panza in den Schatten, die am Mittwoch keine gute Figur gemacht hatte. Sie weilt gerade zu ihrem ersten Staatsbesuch im Ausland in Kongo-Brazzaville und dankte am Samstag ihrem kongolesischen Amtskollegen Denis Sassou-Nguesso: Der streckt die Beamtengehälter vor, die Samba-Panza ab jetzt zum ersten Mal seit vielen Monaten ihren Staatsbediensteten zahlen will.
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