Lust auf Stadt: Paris ist Spitze
Die Stadt an der Seine ist die Nummer eins im Tourismus. Die Pariser sind stolz auf ihren Spitzenplatz. Sie glauben gar, der Grund dafür sei ihre Gastfreundschaft.
Da soll es doch Städte in Europa geben, wo die Bevölkerung sich über die allzu große Zahl von Touristen ärgert. Verständnislos schütteln da die Pariser den Kopf. Sie haben allen Grund, sich stolz als Weltmeister der Gastfreundschaft zu fühlen. Paris ist nämlich weltweit Jahr für Jahr die Stadt mit den meisten ausländischen Besuchern. Das muss ja wohl tiefere Ursachen haben als bloß die architektonischen Reize und eine reiche Geschichte und Kultur der französischen Kapitale.
Diesen Status der internationalen Touristenattraktion Nummer eins wollen die Hauptstadtbewohner selbstverständlich verteidigen. Dafür lernt das Servierpersonal in Restaurants und Hotels sogar Japanisch und ein paar Brocken Chinesisch und Russisch. Oft helfen Ortskundige den Touristen, die mit ihrem Stadtplan den Weg zu Notre-Dame suchen, spontan mit dem kargen Wortschatz an Schulenglisch.
Keinem käme es in den Sinn, diese Besucher zu vergraulen. Die Pariser lieben die Touristen! Auf jeden Fall sehen sie diese nicht als Ursache eines Beziehungsproblems.
Ihr Problem ist genau entgegengesetzt. Die Touristen mögen nämlich die Einheimischen nicht! Zumindest muss man diesen Schluss aus den Internet-Blogs und Online-Kommentaren von Besuchern der französischen Hauptstadt ziehen, in denen über die geradezu legendäre Pariser Arroganz, Unhöflichkeit und Distanziertheit gelästert wird.
Nicht der Tourist ist der Störenfried. Nachhaltig störend ist die Art wie mit ihm schnelle Geschäfte gemacht werden.
Die taz berichtet aus fünf Großstädten, die weltweit um Touristen buhlen.
Seit Jahren schon haben die Einwohner an der Seine diesen schlechten Ruf, mit dem sie im internationalen Vergleich meistens in der Hitparade der unfreundlichsten Gastgeber ganz oben stehen. Zu Recht, finden übrigens die meisten der derart pauschal Kritisierten.
Natürlich fühlt sich nicht jeder Pariser persönlich betroffen. Die Unzivilisierten, die sich nicht anständig aufführen, sind selbstverständlich immer die anderen. Es darf darum nicht etwa als Zeichen von Reue oder Selbstkritik betrachtet werden, wenn die Bewohner der französischen Kapitale voller Verständnis nicken, wenn ausländische Besucher über ihren Aufenthalt schreiben: „Paris ist wunderschön und wäre ganz toll … ohne die ’Parisiens‘.“
Diese darf man allerdings nicht mit den „echten“ und einigermaßen seltenen in Paris geborenen Franzosen verwechseln.
Fußgänger haben sich unterzuordnen
Nach Ansicht authentischer Einheimischer übernehmen diese verkappten Provinzler ausgerechnet die schlechten Eigenschaften zuerst, um als echte Hauptstädter zu gelten. Zu den Unsitten gehört es, sehr ungehalten über ausländische Automobilisten zu fluchen, die sich – quelle absurdité! – an Verkehrsregeln halten oder sogar höflich den Fußgängern den Vortritt lassen – und sich damit störend als Auswärtige outen.
Wenn etwas die Pariser an diesem Zustrom von Besuchern ärgert, dann, dass diese überall so furchtbar langsam sind: Auf dem Gehsteig, wo es jeder Pariser permanent eilig hat, wandeln sie gemütlich wie durch ein Freiluftmuseum. Auch in der Metro sind sie mit ihrem Schneckentempo eine Zumutung für die Ansässigen, die keine Zeit zu verlieren haben.
Da es also tatsächlich an Konfliktstoff nicht mangelt, haben die Stadtbehörden mehrfach Kampagnen für mehr Höflichkeit in der Öffentlichkeit und im Umgang mit Fremden gestartet. Gegen die Selbsttäuschung: Die Gastfreundschaft, an der die Pariser selbst niemals gezweifelt haben, soll in der „Stadt der Liebe“ auch für die Touristen endlich spürbar werden.
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