Lukrative Geschäfte: Chinatown Hamburg

Hamburg soll ein wichtiger Umschlagsplatz im Projekt „Neue Seidenstraße“ werden. Das ist nicht ohne Risiko.

China ante portas: Schon 2008 gastierte vor dem Hamburger Rathaus ein chinesischer Markt Foto: dpa

HAMBURG taz | Mitten im Hamburger Hafen gibt es ein Areal namens Steinwerder, auf dem sich für Hamburger Verhältnisse eine kleine Revolution abspielen könnte. Vor zwei Jahren hat hier ein chinesisches Konsortium die Ausschreibung für einen Ideenwettbewerb gewonnen. Die Chinesen schlugen vor, einen vollautomatischen Containerterminal zu bauen. Das Novum: Sie hätten auch die Infrastruktur errichtet – die Kais, die Straßen – etwas, das der Senat normalerweise nicht aus der Hand gibt.

Das chinesische Angebot fügt sich in ein langfristiges Projekt, das bereits seit 2015 vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jingping propagiert wird: die „Neue Seidenstraße“ oder „Belt and Road Initiative“. China wolle damit „neue Absatzmärkte schaffen, den Yuan internationalisieren, seinen Import militärisch sichern und Arbeit exportieren“, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung knapp zusammengefasst.

Dazu gehört die Schaffung von und der Zugriff auf Infrastruktur: Straßen, Schienen, Pipelines, Datenkabel, Häfen – weshalb sich die Frage aufdrängt, ob sich Hamburg mit so einer Investition nicht eine Art Trojanisches Pferd ins Haus holen würde. Das wäre von Relevanz nicht nur für die Stadt, sondern für ganz Deutschland und die EU, wie die erst kürzlich geführte Debatte über chinesische Investitionen in Osteuropa zeigt.

Räumung auf chinesischen Druck

Ein Beispiel ist der Hafen von Piräus. Die griechische Regierung hat ihn im Zuge der Finanzkrise für 35 Jahre an das chinesische Staatsuntnernehmen Cosco verpachtet. Seither hat sich der Containerumschlag versechsfacht. Wie die Frankfurter Allgemeine berichtet, hatte Ministerpräsident Alexis Tspipras die Gleisblockade in der Nähe des Flüchtlingslagers Idomeni 2016 auf chinesischen Druck hin räumen lassen. Denn durch die Blockade konnten keine Waren mehr aus Piräus auf den Kontinent transportiert werden.

Norbert Hackbusch von der Hamburger Linksfraktion sieht keinen Anhaltspunkte dafür, dass der Hafen zum Einfallstor für chinesische Außenpolitik werden könnte. Seine Fraktion hat sich mit anderen Fragen beschäftigt. „China akzeptiert die normalen gewerkschaftlichen Standards nicht unbedingt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete mit Blick auf seine Gespräche mit griechischen Gewerkschaftern.

Hamburg habe nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sein Hinterland wieder zurückgewonnen und davon profitiert, den ganzen Balkan bedienen zu können. „Das wird sich unabhängig von der Seidenstraße ändern“, sagt Hackbusch. Nicht nur von Piräus aus, dem erstem Hafen nach dem Suez-Kanal, lasse sich Europa versorgen, auch der Ausbau des Hafens von Danzig mache Hamburg Konkurrenz.

Hackbusch sähe eine Verpachtung Steinwerders für Jahrzehnte kritisch – zu schnell ändere sich die Lage. Keinesfalls dürfe eine Reederei zugriff auf Terminals haben, denn das verhindere den gleichberechtigten Zugang zum Hafen.

„Der chinesisch finanzierte Ausbau und Betrieb von Hafen- und Bahnterminals in Zentralasien, Süd- und Südosteuropa hat das Potenzial, globale Warenströme nachhaltig zu verändern“, heißt es in einem Papier, das die Handelskammer Hamburg am Donnerstag beschlossen hat.

Hamburgs Einfluss auf die Seidenstraße

Die Handelskammer hatte „als einzige deutsche Institution“, wie sie mitteilte, die „Belt and Road Industrial and Commercial Alliance“ mitgegründet – einen Zusammenschluss von Kammern und Verbänden entlang des neuen Entwicklungskorridors. 2015 unterzeichnete Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz in Peking ein Memorandum, das Hamburg einen Einfluss auf die „Neue Seidenstraße“ sichern sollte.

Im jüngsten Plenumsbeschluss der Handelskammer heißt es jetzt, die „Belt and Road Initiative“ gehe weit über den Aufbau von Infrastruktur hinaus. „Insbesondere in den weniger erschlossenen Märkten in Zentral- und Südasien sowie Afrika entfaltet der Aufbau von Infrastruktur und Industriezonen neue Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung.“ Hier biete sich eine Vielzahl von Chancen für Hamburger Unternehmen. Eine solche hat etwa die Hamburger Hafen- und Logistik AG ergriffen, die zu einem großen Teil der Stadt gehört, indem sie Anfang 2018 den Hafenterminalbetreiber Transiidikeskuse in Estland kaufte.

„Wir wollen eine Straße in beide Richtungen“, sagt Du Xiaohui, Chinas Generalkonsul in Hamburg. Das Konsulat, eine Fachwerkvilla, hat Elbblick. Im Fenster stehen aus dunkelgrünem Stein geschnitzte Dschunken, vielleicht lesbar als ein Verweis darauf, dass sich auch China im 14. Jahrhundert als Seefahrernation betätigt hat. „China ist reich geworden“, sagt der Konsul. „Wir brauchen mehr Waren aus dem Ausland.“ Überdies lägen zwischen China und Europa eine Reihe von Ländern, in denen durch ein gemeinsames Engagement Wohlstand geschaffen werden könnte.

Konsul sieht großes Potenzial

Hamburg spiele dabei eine zentrale Rolle, allein schon wegen seiner geografischen Lage. Hamburgs Rolle werde größer werden, weil es nicht nur den Hafen, sondern auch viele interessante Unternehmen habe. Chinesen fühlten sich wohl hier. „Mit dieser Stadt mit großem Potenzial wollen wir noch enger zusammenarbeiten“, versichert Du.

Dabei nehme China in der Zusammenarbeit auch Ideen von außen auf. So solle die Seidenstraße grün, nachhaltig und sauber sein. „Diese Initiative ist lernfähig“, sagt der Diplomat. Und er geht noch weiter: „Wir laden die Europäer ein, über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln.“

Komplexe Logik

Nadine Godehardt von der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt vor dem Begriff „Neue Seidenstraße“. „Er verschleiert, wie komplex die Logik hinter dieser Strategie ist“, sagt die Politologin. In den vergangenen Jahren, gerade unter Xi Jinping, habe sich die chinesische Politik verändert. Sie sei davon abgerückt, sich in eine liberale Weltordnung zu integrieren, die stark auf Regeln setzt. Stattdessen setze sie auf „Konnektivität“: das Aneinander-Andocken von unterschiedlichen regulativen Räumen und Akteuren.

Dabei versuche China durchaus die anderen Räume zu beeinflussen; dies jedoch nicht durch explizites Setzen von Regeln, sondern eher durch das Schaffen von Beziehungen, bei denen China im Mittelpunkt steht. „Es ist kein Zufall, dass chinesische Akteure versuchen, direkt die kommunale Ebene anzusprechen“, sagt Godehardt. Hamburg sei ein guter Standort für die „Belt and Road Initiative“ und habe früh seine Chancen erkannt, müsse sich aber „politisch fragen: Was kaufen wir da mit ein?“

Militärische Infrastruktur

Geopolitisch, im Wettbewerb um die Vorherrschaft auf dem Eurasischen Kontinent, könnte von Belang sein, dass die chinesische Initiative auch als militärisches Infrastrukturprojekt verstanden werden kann, wie Christina Lin vom Berliner Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung argumentiert. Für die norddeutsche Wirtschaft geht es aber erst einmal um gleiche Wettbewerbsbedingungen in China und Europa.

Hamburgs rot-grüner Senat betont, er achte auf „gleiche Bedingungen für alle Akteure“ und stimme sich eng mit der Bundesregierung und der Europäischen Kommission ab. Am 24. August reist der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit einer Delegation nach Schanghai, Hamburgs Partnerstadt. Gesprächsthemen gibt es reichlich.

Mehr über die Neue Seidenstraße und ihre Auswirkungen in Norden lesen in der taz am Wochenende oder hier.

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