Lukas Wallraff über das Einwanderungskonzept der Grünen: Im Zweifel ein Arbeitskreis
Sie haben sich bemüht und ein relativ mutiges, durchdachtes Konzept für ein neues Einwanderungsgesetz vorgelegt. Aber ein Wahlkampfschlager wird auch das nicht für die Grünen. Denn je genauer man liest und nachfragt, desto komplizierter wird es. Was übrigens kein Vorwurf ist. Im Gegenteil: Das Thema ist eben komplex.
Ein Beispiel: Die Grünen schlagen eine „Talentkarte“ vor. Mit dieser sollen wie auch immer qualifizierte Menschen auch ohne konkreten Job nach Deutschland kommen und ein Jahr lang Arbeit suchen dürfen. Sie müssen sich also nicht auf gefährlichen Routen durchschlagen und Asyl beantragen, sondern können legal einreisen. Wie viele? Und was passiert, wenn sie keine passende Arbeit finden? Werden sie dann abgeschoben? Unklar.
Die Details soll nach grünem Regierungsantritt eine unabhängige Kommission austüfteln. Die Grünen räumen also ein, dass sie auch nicht genau wissen, welche Regeln in Zukunft sinnvoll werden. Das ist vage, passt aber zur gesellschaftlichen Stimmung. Bei wenigen Themen liegen Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander wie in der Migrationspolitik. Die einen wollen Deutschland am liebsten ganz abschotten – aber gern beim Inder essen und ohne Grenzstau nach Italien. Die anderen plädieren für totale Offenheit – und empören sich dann darüber, dass der Berliner Attentäter nicht rechtzeitig abgeschoben wurde. Und Flüchtlinge? Ja, aber bitte nicht so viele wie 2015.
Weil viele hin- und hergerissen sind, sagt SPD-Messias Martin Schulz dazu lieber wenig. Die Union schwankt zwischen Merkel und Seehofer, die Linke zwischen Wagenknecht und utopischem Bleiberecht für alle. Und die Grünen? Einerseits wollen sie Kinder künftig sofort einbürgern, wenn ein Elternteil legal hier lebt. Andererseits beteiligen sich manche Grüne sogar an Abschiebungen nach Afghanistan. Und nach der Wahl? Wird ein Arbeitskreis gebildet. Nicht sexy – aber ehrlich.
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