Luftbrücke, Nietzard, Mahler: Der krawallige Lebensweg eines verstorbenen Nazis
Horst Mahler war nicht der einzige, der von links nach rechts immer der Aussicht auf den größten Krawall folgte. Und: Der Zoll-Deal mit den USA als Zeitenbruch.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die Bilder aus Gaza.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Sie werden gesehen.
taz: Ist Kanzler Merz ’ Idee der Luftbrücke für Gaza eine Luftnummer?
Küppersbusch: Er will Israel beweisen, dass es nicht reicht. Und allen Kritikern Israels, dass er nicht blind ist. Für einen deutschen Kanzler ist das das Mögliche.
taz: Hat US-Präsident Trump die EU mit dem Zolldeal übers Ohr gehauen oder ihr einen Gefallen getan?
Küppersbusch: Für eine Kolonie haben wir uns wacker geschlagen. Alles, was daraus folgt, ist ein Zeitenbruch. Unabsehbar.
taz: Die Grüne-Jugend-Chefin Nietzard tritt zurück. Ein Markenkernbegriff der Wahlkampf-Grünen heißt „Toleranz“. Ist die Toleranz der Grünen an ihre Grenzen gekommen?
Küppersbusch: Nietzard postete intolerant gegenüber PolizistInnen, Männern, „Privatiers“, Familie Lindner und der oft noch wohlmeinenden Einladung von ParteifreundInnen, einfach mal die Finger von der Taste zu lassen. Sie jedenfalls repräsentiert nicht Toleranz, von daher wäre sie eine Fehlbesetzung. Linkspopulismus als Antwort auf den grassierenden Populismus von rechts ist ein relevantes Forschungsfeld. Die grüne Jugend weiß jetzt schon mal, wie es nicht geht.
taz: Die deutsche Wirtschaft ist weiter im Schrumpfmodus. Finanzminister Klingbeil ist deswegen in großer Sorge um unsere Gürtellöcher und will nun mit der Ausweispflicht für Friseure die Schwarzarbeit bekämpfen. Ist das der Wachstumsbooster?
Küppersbusch: Was für die Sondervermögen und Entschuldenbremsung nun lange eingetrieben werden müsste bei den Steuerzahlenden, könnte man hie und da und dort streichen. Oder man koaliert mit den Sozis und lässt es ihren Wählern wegnehmen. Klassiker.
taz: Dem Querdenker Ballweg konnte nicht nachgewiesen werden, dass er eingeworbene Unterstützergelder für private Zwecke verwendet hat. Ballweg und seine Anhänger behaupten, die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe einen politischen Prozess geführt. Falsch?
Küppersbusch: Das Landgericht hat es bei einer „Verwarnung“ belassen und darin ausdrücklich U-Haft, Haussuchung und Kontenzugriff mildernd eingepreist. In einer besseren Welt würde man sagen: Wow! Wir haben eine funktionierende Justiz, die auch die aufgeblasenste und vielleicht zeitgeistige Anklage durch lässiges Belegeprüfen zischend entlüftet. Klasse! Wie also etwa Bernd Höcke von diesem Verfahren aus zu dem Schluss kommt, eine Reinigung des deutschen Rechtswesens anzukündigen, kann nur bedeuten, dass er sogar bei seinem eigenen Geschichtsunterricht geschlafen hat.
taz: Das ukrainische Parlament hat die Unabhängigkeit der Korruptionsbekämpfung gesichert. Wird nun alles besser?
Küppersbusch: Präsident Selenskyj ist durch das Rein-und-Raus ernsthaft beschädigt. Vielerorts kann man nun Reports lesen über seinen Klüngel, seine Buddy-Personalien, egoistische Motive und gern auch mal wieder sein Aufscheinen in den Pandora-Papers der Steuerbetrüger. Er hat der politischen Geschichte die neue Charakterrolle des Video-Warriors hinzugefügt und weit über das Erwartbare hinaus sein Land durch die russischen Angriffe geführt. Trump hat ihn angeschossen, mit Salushny oder Klitschko schnippen hie und da mögliche Nachfolger auf. Die Geschichte ist gefräßig und mindestens medial wirkt Selensky nun gar.
taz: RAF-Gründer und Nazi Horst Mahler ist ebenfalls tot. Letzte Worte?
Küppersbusch: Mahler exerzierte vor, dass „Ami go home“ zu Vietnamkriegszeiten genau so funktioniert wie das Nazisein. Diese Lehre kann man mitnehmen. Er war die gruseligste Version einer Loge verbitterter alter Egos: Ulrike Meinhofs Ex-Mann Klaus Reiner Röhl, Jürgen Elsässer, und in schwächeren Dosen bei Vera Lengsfeld. Kein Vergleich zu Mahlers Irrsinn, bitte – aber schon Lebenswege, die von links nach rechts immer der Aussicht auf den größten Krawall folgen.
taz: Generalsanierung, gigantische Verluste, tödliche Hangrutsche – die Bahn kam letzte Woche gar nicht aus den Schlagzeilen. Fahren Sie noch Bahn?
Küppersbusch: Hab mir angewöhnt, in Berlin nur noch ein, zwei Termine zu machen, wenn ich von Dortmund aus Zug fahre. War jetzt dreimal bizarr pünktlich, hab mich in Berlin dann gelangweilt. Bin empört.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Beginnt solide 1 zu 1 gegen 1860. Bei „Kleinanzeigen“ stehen Tickets für das anstehende Überspiel im Pokal, RWE gegen BVB, bereits zu vierstelligen Preisen.
Fragen: Doris Akrap
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und hat erstmals etwas Hoffnung.
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