Luftangriffe in Sudan fortgesetzt: Ärzte beklagen Instrumentalisierung
Eine kurze Feuerpause in Sudan hat weitgehend gehalten - ist aber nun vorbei. Auch die Angriffe auf das Gesundheitspersonal gehen offenbar weiter.
dpa/ap |
Die Feuerpause war – wie bereits zuvor – von den USA und Saudi-Arabien vermittelt worden war. Ziel war es, humanitäre Versorgung zu ermöglichen. Medien und Augenzeugen zufolge blieb es in Khartum tatsächlich ruhig. Die Situation an anderen Orten im Land, vor allem in der teils von schwerer Gewalt betroffenen Region Darfur, war schwer zu überprüfen.
Nachdem vorherige Feuerpausen wiederholt gescheitert waren, hatten die Vermittler gewarnt, ein Verstoß könne den Abbruch der Verhandlungen mit den Parteien im saudischen Dschidda bedeuten. Wann Gespräche fortgesetzt werden, war zunächst offen.
In Sudan kämpfen seit Mitte April die Rapid Support Forces (RSF) des früheren Vize-Machthabers Mohammed Hamdan Daglo, eine aus Milizen hervorgegangene Quasi-Armee mit Zehntausenden Kämpfern, gegen die Streitkräfte unter der Führung von De-facto-Staatschef Abdel Fattah al-Burhan. Die beiden Generäle hatten sich 2019 und 2021 gemeinsam an die Macht geputscht, später aber zerstritten. Ein von der Zivilbevölkerung geforderter Übergang zur Demokratie in dem rund 46 Millionen Einwohner zählenden Land im Nordosten Afrikas blieb aus.
Angriffe auf Gesundheitspersonal
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete am Samstag, dass ihre Mitarbeiter zu einem Propagandavideo zugunsten der RSF genötigt worden seien. Ihr Konvoi sei beim Verlassen eines Lagerhauses gestoppt worden. „Die RSF forderte uns auf, vor der Kamera eine Erklärung über die Vorgehensweise der RSF in diesem Fall abzugeben und wir waren dazu verpflichtet, damit unser Konvoi seine Reise fortsetzen konnte.“
Die RSF hatten am Freitag ein Video veröffentlicht, das einen Uniformierten mit einer Gruppe von MSF-Mitarbeitern zeigt. „Wurden Sie Gegenstand illegaler Handlungen, Erpressungen, Drohungen oder Gewalt durch RSF-Personal?“, fragt der Mann laut Untertiteln. Ein Mitarbeiter antwortet unter anderem, dass humanitäre Gesetze eingehalten würden und man ohne Einflussnahme jeglicher Partei arbeiten könne.
MSF und andere Helfer haben seit Ausbruch des Konflikts immer wieder Plünderungen und Angriffe beklagt. „Die MSF-Teams beantworteten die Fragen unter Bestätigung der humanitären Grundsätze von MSF: Wir sind mit keiner der Konfliktparteien verbündet und unser einziges Ziel ist es, die vom Konflikt betroffene Bevölkerung zu unterstützen, die medizinische Hilfe benötigt“, teilten MSF mit. „Lebensnotwendige humanitäre Hilfe darf nicht instrumentalisiert werden.“
Die Weltgesundheitsorganisation zählte bis Anfang Juni 48 bestätigte Angriffe auf Gesundheitspersonal. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA unter Verweis auf Zahlen des Gesundheitsministeriums sind im Konflikt bis Anfang Juni mindestens 780 Menschen getötet und 5.800 verletzt worden. Rund 1,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Guterres weist Kritik zurück
Zudem hat der Sudan den deutschen UN-Sondergesandten Volker Perthes zur unerwünschten Person erklärt. Perthes sei nicht länger in Sudan willkommen, teilte das Außenministerium in Khartum am Donnerstagabend in einer knappen Erklärung mit. Über den Vorgang sei UN-Generalsekretär António Guterres informiert worden. Guterres wies das und die Kritik an Perthes zurück.
Perthes gilt seit seiner Berufung zum Sondergesandten für den Sudan im Jahr 2021 als wichtiger Vermittler, zunächst während gescheiterter Versuche eines Übergangs zur Demokratie in dem Land und dann in der Phase, in der sich das Verhältnis zwischen der regulären Armee und der Gruppe RSF eintrübte. In den vergangenen Monaten erhielt der deutsche Diplomat Todesdrohungen, wiederholt wurde er zum Rücktritt aufgefordert.
Erst im Mai hatte De-facto-Staatschef al-Burhan dem Gesandten in einem Brief vorgeworfen, parteiisch zu sein und in den Wochen vor dem aktuellen blutigen Konflikt einen negativen Einfluss auf Gespräche zwischen Generälen und prodemokratischen Gruppen gehabt zu haben. Der Nachrichtenagentur AP sagte Perthes in einer Reaktion, er halte jene, die ihn bedrohten, für randständige Extremisten. Für die UN-Bemühungen in Sudan gebe es eine weit verbreitete Wertschätzung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts