Louisa Specht-Riemenschneider: Die Neue für den Datenschutz
Mit dem Vorgänger lag vor allem die SPD zuletzt über Kreuz – nun kommt die neue Bundesdatenschutzbeauftragte ins Amt.
„Pragmatisch“ – das ist in diesem Zusammenhang verbunden mit der Hoffnung, die neue Bundesdatenschutzbeauftragte werde das mit dem Schutz schon nicht zu hoch hängen, sondern die Politik weitgehend machen lassen.
Doch es ist nicht nur Pragmatismus, der Specht-Riemenschneider, Professorin für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenrecht an der Universität Bonn nachgesagt wird. Über Parteigrenzen und politische Positionierung hinaus eint die Einschätzung, es hier mit einer herausragenden Juristin zu tun zu haben. So äußerte sich etwa der damalige EU-Abgeordnete der Piraten, ein hartnäckiger Schützer von Daten- und Persönlichkeitsrechten, positiv über die „qualifizierte neue Bundesdatenschutzbeauftragte“.
Vom Präsidenten der Bundesnetzagentur, zuvor Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, kam ebenso Lob wie von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), der nach der Einigung der Ampel-Koalition auf die Personalie auf X (ehemals Twitter) gleich mal die Erwartungen formulierte: „Wenn wir wirtschaftlich erfolgreich bleiben wollen, braucht es eine neue Datenkultur.“ Übersetzt: Dieser lästige Datenschutz möge bitte nicht einer prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung entgegenstehen.
Wirtschaftsfreundlicher Ruf
Tatsächlich hat Specht-Riemenschneider einen wirtschaftsfreundlichen Ruf. In einem viel beachteten Gastbeitrag, den sie gemeinsam mit einem Professorenkollegen 2022 für den Tagesspiegel schrieb, fordern die beiden eine „Datenrealpolitik“. Sie äußerte sich in der Vergangenheit ebenfalls positiv über Datentreuhandmodelle, die den Handel mit persönlichen Informationen vereinfachen könnten und die durchaus umstritten sind.
Dennoch: Das Amt der Bundesdatenschutzbeauftragten bringt Aufgaben mit sich, die sich nicht so einfach beiseiteschieben lassen – es sei denn, man steckt als Behördenleitung sehr konsequent den Kopf in den Sand, was auch schon vorgekommen, aber in diesem Fall nicht zu erwarten ist. Zwar hat sich Specht-Riemenschneider einen Namen in der Debatte um Datenhandel gemacht. Doch sie hat auch Expertise, was die Perspektive der Verbraucher:innen angeht. So war sie unter anderem Vorsitzende des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen beim Bundesverbraucherschutzministerium.
Die Liste der Baustellen, die es für die Behörde zu bearbeiten gilt, ist lang: Die Digitalisierung des Gesundheitssystems ist eine der großen und schon länger bestehenden. Zwischen Specht-Riemenschneiders Vorgänger Ulrich Kelber und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) knallte es, als Lauterbach die Rechte der Aufsichtsbehörde deutlich einschränkte. Dann steht die Umsetzung europäischer Plattformregulierungen an, und der Ruf nach zunehmender Überwachung im Inneren wird aktuell nicht leiser, sondern lauter. Wie sich Specht-Riemenschneider hier positioniert, wird Gewicht haben. Die Amtszeit ist zunächst auf 5 Jahre angelegt – Verlängerung möglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin