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Lokale WirtschaftRendite für Regionen

Kommentar von Michael Kopatz

Die Covid-Krise hat gezeigt: Wir müssen endlich nachhaltiger und regionaler wirtschaften. Vielversprechende Ansätze dafür gibt es bereits.

Äpfel und Birnen aus der Region auf einem Wochenmarkt in Freiburg Foto: Daniel Fleig/Eibner/imago-images

K lassische Wirtschaftsförderung sieht oft so aus: Ein Unternehmen will sich vergrößern, also sucht man ein Grundstück. Ein Unternehmen braucht einen Standort, man findet einen. Fortwährend asphaltieren die Kommunen Grünflächen, um weitere Flächen für Gewerbe anzubieten. Mitunter scheint es, als diene der Flächenverbrauch als Arbeitsnachweis für eine gelungene Wirtschaftsförderung. Gleichzeitig stehen be­stehende Gebäude leer oder werden zu wenig genutzt.

Städte und Gemeinden sollten endlich beginnen, die Regionalwirtschaft systematisch zu stärken, etwa durch ein Bündnis für regionale Beschaffung. Neben der Kommunalverwaltung könnten beispielsweise Krankenhäuser, Stadtwerke, Diakonisches Werk oder Universitäten Teil eines solchen Bündnisses sein. Auch größere Unternehmen, die die sich dem Gemeinwohl oder der Region verpflichtet fühlen, ließen sich einbeziehen.

Lokale Wirtschaft stärken heißt auch, Produktion zurückzuholen. In den letzten Jahrzehnten ist das Gegenteil passiert. An der Herstellung einer simplen Tiefkühllasagne sind Dutzende Betriebe und 20 Nationen beteiligt. Es gibt so viele Dinge, die Unternehmen vor Ort herstellen könnten, wenn es beispielsweise gute Strukturen für Direktvermarktung gibt. Doch so etwas kommt nicht von allein.

Hier sollte Politik handeln und Unternehmen fördern, die wieder auf kürzere Wertschöpfungsketten setzen. Es geht dabei nicht darum, Fernseher wieder lokal zu montieren. Gleichwohl ist eine Renaissance der regionalen Produktion erstrebenswert und möglich, besonders bei Lebensmitteln und Kleidung. In den Szenevierteln der urbanen Regionen lässt sich zudem eine gewisse Sehnsucht nach lokalen Produkten spüren, mit denen man sich identifizieren kann, die irgendwie besonders oder gar einmalig sind.

Es gibt im Land eine Vielzahl von Projekten, Ini­tiativen und Konzepten, die noch zu wenig bekannt sind. Die solidarische Landwirtschaft etwa. Das Konzept – es muss nicht nur Bio sein – sichert und schafft Arbeitsplätze und ermöglicht Vielfalt in der Nahversorgung: Die umliegenden Landwirte sind nicht zu Monokultur und Preisdumping gezwungen, sondern profitieren von fairen Preisen, Kundenbindung und Wertschätzung. Zudem bindet die Direktvermarktung Rendite an die Region, verkürzt Wertschöpfungsketten und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Woran es hakt, sind aktive Förderimpulse aus den Städten und Regionen.

Wegweisend ist das Engagement der Regionalbewegung. In dem Bundesverband vernetzen sich Initiativen, Unternehmen und Politik. Sie tauschen sich darüber aus, wie man die Nahversorgung mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs ausbauen kann. Es geht aber auch um regionale Finanzdienstleister, regionale erneuerbare Energien und das regionale Handwerk.

Genossenschaften und Stiftungen sind übrigens sehr sinnvoll, um Renditen an die Region zu binden. Anders beim Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften an Anleger aus aller Welt, der vor Ort die Mieten steigen lässt, profitieren bei einer Genossenschaft die Be­woh­ne­r:in­nen von den Gewinnen. Ein anderes Beispiel sind Stadtwerke. Einige gehören noch zu 100 Prozent der Kommune. Die Gewinne stützen als Bürgerrendite etwa defizitäre Schwimmbäder oder füllen die Stadtkasse.

Als Alternative zu Essenslieferplattformen, deren Gebühren in andere Regionen fließen und lokale Gastronomie schwächen, könnten diese eine eigene Plattform gründen, am besten genossenschaftlich und ohne Gewinnorientierung. Man kann mit einer App überall bestellen, und Wirte werden nicht abgezockt. In Münster gibt es bereits eine alternative Plattform namens „Münster isst“, mit rund 180 Restaurants. Die Gebühr ist mit 250 Euro im Jahr unschlagbar günstig.

Michael Kopatz

Michael Kopatz ist Dozent und Umweltwissenschaftler am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Sein neues Buch „Wirtschaft ist mehr! Wachstumsstrategien für nachhaltige Geschäfts­modelle in der Region“ (oekom Verlag) erschien im Juli. Bei der Bundestagswahl tritt er als Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis Rotenburg I – Heidekreis an.

Statt euphorisch jedes Start-up zu feiern, das zwei, drei MitarbeiterInnen hat, lohnt sich ein Blick auf Initiativen, die bereits da sind: Das Repair-Café entwickelt sich womöglich zum professionellen Reparaturbetrieb, erweitert durch Second-Hand-Angebote. Möglich sind auch hypermoderne öffentliche Werkstätten, die zugleich von ambitionierten Laien und Profis genutzt werden, die sich noch keinen eigenen Betrieb leisten können. Solche Orte gibt es in einigen Städten schon.

Mit einer „Wirtschaftsförderung 4.0“ kann auch die Gemeinwohlökonomie von innovativen Technologien profitieren. Carsharing beispielsweise war vor 20 Jahren zumeist eine Ini­tiative von Vereinen, wenig bekannt und mit kompliziertem Buchungssystem. Die Digitalisierung hat es möglich gemacht, dass aus dem ehrenamtlich getragenen Konzept ein großes Business geworden ist. Ideal ist es, wenn der Carsharing-Betrieb den Bürgern gehört.

Reparaturwesen, Sharingkonzepte, urbane Produktion und Nahversorgung sind zudem Orte der Begegnung: Teilen, Tauschen, Schenken, Kooperieren, Selbsthilfe – all dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl, den sozialen Zusammenhalt. Und dort, wo sich Menschen zu Hause fühlen, möchten sie gerne arbeiten und leben, dort findet sich qualifiziertes Personal. Das wirkt zugleich nationalistischen Tendenzen entgegen.

Wir sollten uns öfter fragen, was gut funktioniert, wenn der Export schlecht läuft, wenn die Weltwirtschaft schwächelt. Welche Faktoren stabilisieren unsere Wirtschaftsgesellschaft, was ist krisenfest? Kurzum, es geht um eine wirklich nachhaltige Wirtschaft. Förderungswürdig sind nur enkeltaugliche Geschäftsmodelle. Die „Wirtschaftsförderung 4.0“ entwickelt Strategien, mit denen die Risiken der Globalisierung abgesichert werden können. Eine zukunftsfähige Ökonomie dient dem Gemeinwohl der Stadtgesellschaft, dem guten Leben.

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5 Kommentare

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  • Viele Vorschläge wirken auf mich eher wie ein ungefiltertes Brainstorming als wirklich durchdacht. Wo etwa sollen die benötigten Näher*innen für eine lokale Textilproduktion herkommen? Immerhin geht es hier um einen Industriezweig der größtentils schon vor vielen Jahrzehnten komplett abgewandert ist und das hatte auch damals schon Gründe. Wie also will man hier eine lokale Produktion wieder aufbauen und zwar so, dass sie trotz deutlich höherer Lohnstückkosten in Folge höherer Löhne und Verzicht auf Skaleneffekte tatsächlich für die lokale Nachfrage produzieren kann und nicht nur für die Premium-Nische?



    Auch die Klage über zu viel Flächenversiegelung bei gleichzeitiger Forderung von mehr lokaler Produktion wirkt widersprüchlich. Für Neubau gibt es idR genau so Gründe wie für den Leerstand von Gewerbeimmobilien; entweder weil es Standortnachteile gibt oder eine Umnutzung zu teuer würde. Eine leerstehende Düngemittelfabrik lässt sich eben nicht so ohne Weiteres auf die Produktion von TK-Lasagne umstellen.



    "Das Konzept [...] sichert und schafft Arbeitsplätze und ermöglicht Vielfalt in der Nahversorgung"



    Aber wie groß ist der Anteil der Schulabgänger*innen die von einer Karriere als Erntehelfer*in oder Hilfskraft in der Nahrungsmittelverarbeitung träumen?



    "könnten diese eine eigene Plattform gründen, am besten genossenschaftlich und ohne Gewinnorientierung."



    Nur wie soll so eine Plattform ohne Gewinnorientierung die Kosten für App-Entwicklung und den Betrieb der IT-Infrastruktur wieder hereinbekommen? Immerhin wäre erst einmal ein sechs- bis siebenstelliger Betrag zu investieren. Und dann wäre da immer noch das Problem, dass solche eine regionale App mit den üblichen Netzwerkeffekten zu kämpfen hätte, man müsste also schon in der Lage sein gegenüber den etablierten Playern einen deutlichen Mehrwert anbieten zu können.



    ...

    • @Ingo Bernable:

      ...



      "Das wirkt zugleich nationalistischen Tendenzen entgegen."



      Das ausgerechnet die Rückbesinnug auf die eigene Scholle und das Kappen internationaler Verflechtungen Nationalismus vorbeuten soll, zumal besser als etwa die Arbeit in einem rund um den Globus verteilten Team, scheint mir wenig überzeugend. In wenigen ohnehin bereits stark international geprägten Kiezen mag das Aussicht auf Erfolg haben, aber überall dort wo noch immer eine weiße, deutsche Mehrheitsgesellschaft hegemonial ist wird man damit eher Abschottung und Ausgrenzung befördern.

  • Obiges Bild regt mich zu einer Frage an: Wer der Mitleser wird diese überreifen stark von Rostpilzen befallenen Birnen kaufen wenn es direkt daneben perfekt aussehende Früchte zum selben Preis gibt?

    Wobei die Sonderangebote beim Discounter sogar noch unter diesem Preis liegen und dieser Preis definitiv nicht ausreicht um Birnen in einem Streuobstbestand mit angemessenem Stundenlohn in Deutschland zu produzieren.

  • Arbeitsteilung ist die Grundlage für Wohlstand und nicht „ich mach alles selbst“.

  • Das Ausgeführte gilt gleichfalls und sinngemäß auch für viele Orte, von wo dort Lebende als Wirtschaftsflüchtlinge weglaufen, weil wir uns von dort auf unfaire Weise, quasi auf deren Kosten, versorgen lassen, anstatt dass wir sie mit Starthilfen versorgen, mit Hilfe zur Selbsthilfe.