Lobbyist will den Bundestag reinlegen: Das Atom-Phantom
Mit einer wohl fingierten Erklärung hat ein Atomlobbyist versucht, den Bundestag zu täuschen. Nun fordern Grüne, Linke und Bürgerinis Aufklärung.
Die taz hatte zuvor berichtet, wie die Stellungnahme der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) an den Bundestags-Umweltausschuss diskreditiert wurde: Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau sei „geeignet, um atomwaffenfähiges Material herzustellen“, warnte die Organisation, die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Auch könne die Anlage schon heute „zumindest indirekt an der Herstellung von neuen Atomwaffen beteiligt sein“, schrieb Ican – schließlich werde aus Gronau angereichertes Uran an Reaktoren in den USA geliefert, die auch Tritium für die Atomraketen des US-Militärs produzieren.
Im Umweltausschuss aber wurde das nie diskutiert. Wenige Stunden nach Eingang meldete sich ein US-Wissenschaftler namens „Thomas C. Panto“ beim Ausschusssekretariat. „Völlig absurd“ sei die Position von Ican Deutschland, so der angebliche Experte – das habe ihm die Vorsitzende von Ican International, Beatrice Fihn, auch bestätigt. Fihn bestreitet das.
Unklar bleibt bis heute, ob „Panto“ mehr als ein Phantom ist. Im Internet und in wissenschaftlichen Datenbanken findet sich kein Hinweis auf seine Existenz, und bei der Internationalen Energieorganisation, bei der „Panto“ gearbeitet haben will, ist der Mann unbekannt. Für Aufklärung sorgen könnte Andreas Kronenberg, der bis vor Kurzem für den UAA-Betreiber Urenco Deutschland gearbeitet hat. Kronenberg hatte das Schreiben weitergeleitet. Der taz drohte er schon am 21. März mit rechtlichen Schritten, sollte die seinen Namen oder den eines von ihm geleiteten „Uran-Instituts“ veröffentlichen. Seitdem schweigt er.
Waren Bundestagsabgeordnete beteiligt?
Nicht nur Atomkraftgegner*innen fragen deshalb, wer die Ican-Stellungnahme an „Panto“ oder Kronenberg weitergeleitet haben könnte: Andreas Kronenberg ist CDU-Mitglied, und der münsterländische FDP-Bundestagsabgeordnete Karlheinz Busen gilt ebenfalls als begeisterter Unterstützer der Urenco.
„Waren womöglich regionale Bundestagsabgeordnete oder gar die Firma Urenco selbst beteiligt?“, fragt deshalb nicht nur die Atomkraftgegnerin Christina Burchert vom Arbeitskreis Umwelt. Insgesamt sechs Bürgerinitiativen sprechen von einem „Skandal“, fordern „eine umfassende Untersuchung und Aufklärung“ – und wollen am Karfreitag mit einem Ostermarsch in Gronau für ein Ende der Urananreicherung demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein