Grenzübergänge zur Ukraine bleiben blockiert

Polnische Lkw-Fahrer protestieren seit Tagen gegen Konkurrenz aus der Ukraine. Spediteure fürchten die Pleite, ihre Forderungen richten sich auch an die EU

Aus Warschau Gabriele Lesser

An den Grenzübergängen zwischen Polen und der Ukraine stehen kilometerlange Lkw-Staus. Es dauert oft mehrere Tage, manchmal eine ganze Woche, bis ein Lkw abgefertigt ist. Grundsätzlich ist das an der EU-Ostgrenze nichts Ungewöhnliches.

Doch seit zwei Wochen protestieren hier polnische Spediteure und blockieren mit quergestellten Fernlastwagen die Zufahrten zu den Grenzübergängen. Pro Stunde lassen sie nur vier Lkws durch. Ausnahmen gibt es nur für Transporte mit verderblichen Lebensmitteln, Waffen für die sich gegen den Aggressor Russland verteidigende Ukraine und für Hilfsgütertransporte wie Arzneimittel oder Stromgeneratoren.

„So geht es nicht weiter!“, empört sich einer der Spediteure: „Die ukrainischen Grenzer und Zöllner zocken uns regelmäßig ab. Und wie sollen wir mit den ukrainischen Firmen konkurrieren, wenn wir den Fahrern 2.500 Euro zahlen müssen, die ukrainischen aber nur 700 Euro?“

Für rund zehn Tage Wartezeit hat kaum einer der Fahrer genügend Proviant dabei. So lange stehen sie derzeit vor dem Grenzübergang Dorohusk bei Lublin, wo sich über 1.100 Lkws in einer 25 Kilometer langen Schlange stauen. Auch Toiletten gibt es kurz vor der Grenze Polens zur Ukraine nicht. Egal wie das Wetter ist, in Eiseskälte, bei Schnee und Regen wie jetzt im November, müssen die Fahrer ihre Notdurft am Straßenrand verrichten.

Nicht viel anders sieht es an den Grenzübergängen Hrebenne bei Lublin und Korczowa in den Vorkarpaten aus. Auch dort stehen Hunderte Lkws in der Schlange. Die Abfertigungszeit dauert nach Polizeiangaben mehr als sechs Tage. „Wir stehen hier und frieren“, sagr Artur Izdebski, einer der Organisatoren des Protests und Eigentümer der Spedition Arpol. „Wir haben den ukrainischen Markt schon verloren. Unsere Lkw-Flotten stehen in der Basis und verdienen kein Geld. Wenn das so weitergeht, machen wir polnischen Spediteure Pleite, erst die Familienunternehmen hier an der Ostgrenze, später auch die größeren in Zentralpolen.“

Das Verteidigungskomitee der Spediteure und Transportunternehmer (KOPiPT) richtet seine Forderungen vor allem an die Europäische Union (EU), die nach dem kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine die bisherigen Handelsbeschränkungen für Nicht-EU-Mitglieder speziell für Kyjiw weitgehend aufgehoben hatte.

Am letzten Freitag fuhr eine Delegation der protestierenden Spediteure zur Warschauer Vertretung der Europäischen Kommission und reichte ihre Forderungen schriftlich ein. Die EU solle zu den Regeln zurückkehren, die vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine für alle Nicht-EU-Staaten galten: Wiedereinführung von Transportgenehmigungen für ukrainische Speditionen, Freistellung polnischer Lkws von der elektronischen Fracht-Anmeldung bei der Rückfahrt nach Polen, da das System die Wartezeit an der Grenze keineswegs verkürze, sondern auf durchschnittlich zwölf Tage verlängere. Dies gelte auch für Leerfahrten.

Zudem sollte es Speditionen aus Nicht-EU-Staaten verboten werden, eine eigene Firma in Polen zu eröffnen. Bereits vergebene Lizenzen an ukrainische Neugründungen in Polen sollten überprüft und gegebenenfalls zurückgezogen werden.

Da bislang weder die Europäische Kommission in Brüssel noch Polens Regierung unter Premier Mateusz Mora­wiecki (PiS) reagiert hat – sie ist nach den Parlamentswahlen am 15. Oktober noch immer geschäftsführend im Amt –, wollen die Spediteure ihren Protest am Mittwoch auf den größten polnisch-ukrainischen Grenzübergang Medyka bei Przemysl ausdehnen.

Spediteure in weiteren Nachbarländern der Ukraine wollen in Solidarität mit den polnischen Kollegen auch ihre Grenzübergänge blockieren. Slowakische Spediteure hatten bereits am 17. November den einzigen Grenzübergang zur Ukraine, Vyšné Nemecké, mit einer einstündigen Warnblockade lahmgelegt.

Spediteure in der Slowakei wollen nun auch ihre Grenzübergänge blockieren

„Die ukrainische Konkurrenz ist für uns existenzbedrohend“, sagte der Chef der Spediteursvereinigung Unas, Stanislav Skala, der Nachrichtenagentur TASR. Sollte die EU die Ausnahmeregel für die Ukraine nicht zurücknehmen, würden slowakische Lkw-Fahrer zu einer Dauerblockade des Grenzübergangs auch für Pkws übergehen und ihre Fahrzeuge überall querstellen. Laut Skala überlegen auch ungarische Spediteure, sich dem Protest anzuschließen.

Polen, die Slowakei und Ungarn hatten ein bis zum 15. September befristetes EU-Importverbot für ukrainisches Getreide einseitig verlängert. Die EU hatte den Ukraine-Nachbarländern mit dem befristeten Embargo Zeit geben wollen, den Transit und Import von billigem Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine zu regulieren und Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bauern und Märkte zu ergreifen. Rumänien und Bulgarien war dies gelungen, Polen, der Slowakei und Ungarn nicht. Polen kündigte im September gleichzeitig an, weitere Agrarprodukte aus der Ukraine auf die Import-Embargoliste zu setzen.

Im Gegenzug konterte Kyjiw, dass es ebenfalls ein Importverbot für Agrarprodukte aus Polen verhängen werde und zudem Polen vor der WTO (Welthandelsorganisation) in Genf verklagen werde.

Da Russland als Kriegsmaßnahme eine Seeblockade für Getreideschiffe der Ukraine verhängte, ist die Ukraine auf die Donauhäfen und den Landweg angewiesen, um sein Getreide wie bisher vor allem nach Afrika und Asien zu transportieren. Ohne diese Einnahmen droht Kyjiw über kurz oder lang die Staatspleite.