Lizenzentzug für Radio Leinehertz: Ende einer freien Stimme

Der hannoverschen Bürger*innensender Radio Leinehertz muss aufhören, weil ihm Belege für die Verwendung öffentlicher Gelder fehlen.

Ein Schild mit dem Logo des Radiosenders „Radio Leinehertz 106.5“ hängt an einem Bürogebäude.

Demnächst außer Betrieb: Die Büroräume des Radiosenders „Radio Leinehertz 106.5“ Foto: dpa

HAMBURG taz | In der Nacht zum 1. April hört Leinehertz 106,5 auf, zu senden: Das hat der hannoversche Bürgerfunksender jetzt bekannt gegeben. Grund dafür ist die Entscheidung der niedersächsischen Landesmedienanstalt (LNM), dem Sender die Zulassung zu entziehen und die Förderung zu stoppen. Wie bereits am Freitag bekannt wurde, fehlen Nachweise für die Verwendung öffentlicher Gelder.

Seit zehn Jahren machen Han­no­veraner*innen bei Leinehertz Radio. Nachdem die Medienanstalt dem linken Bürgersender „Radio Flora“ damals wegen zu geringer Hörer*innenzahlen die Lizenz entzogen hatte, ging Lei­ne­hertz auf Sendung. Neben etwa zehn Festangestellten beschäftigt der Sender inzwischen 30 bis 40 freie Mitarbeiter*innen und etwa 150 Freiwillige.

Bereits im Juli 2017 geriet der damalige Geschäftsführer Georg May in Verdacht, Gelder nicht zweckmäßig verwendet zu haben – der Sender entließ ihn fristlos. Man habe dann „mit großen Anstrengungen und mit mehreren Veränderungen in der Geschäftsführung die Missstände aufgearbeitet“, schrieb der Sender am Freitag in einer ersten Stellungnahme.

Seitdem hat sich offenbar wenig verändert: Es gebe „erhebliche Zweifel“, dass der jetzige Geschäftsführer die Vorschriften künftig erfülle, sagt der Direktor der Landesmedienanstalt, Andreas Fischer. „Für die korrekte Verwendung der öffentlichen Mittel sind über Jahre hinweg keine vollständigen Nachweise erbracht worden.“

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Für die Jahre 2016 bis 2018 fehlten Belege über 36.000 Euro, sagt LNM-Sprecherin Annika Vogel. „Es wurden im Vorfeld Gespräche geführt, und dem Sender sind diese Missstände spätestens seit August 2018 bekannt.“ Die finanzielle Förderung stammt aus Rundfunkbeiträgen: Maximal 281.300 Euro kann ein Bürgerradio jährlich erhalten

Viele der Leinehertz-Ehrenamtlichen zeigten sich schockiert: „Dass etwas falsch läuft, ist spätestens seit dem Wechsel in der Geschäftsführung bekannt“, sagt Robert Litz, seit sieben Jahren ehrenamtlicher Moderator bei Radio Leinehertz. „Dass eine Schließung droht, wissen wir aber erst seit Donnerstag.“ Besonders schlimm sei das aber für die Angestellten, die jetzt arbeitslos würden. „Der Schaden, der dadurch entsteht, ist garantiert höher als das, was falsch abgerechnet worden ist“, sagt Litz.

Nicht nur intern ist der Aufschrei groß. Etliche Facebook-Nut­zer*innen trauern dem Sender hinterher. „Die REGION“, der Kreisverband Region Hannover von „Die Partei“ will im Regionsausschuss einen Eilantrag zur Rettung von Radio Leinehertz stellen. „Es kann nicht sein, dass die Verfehlungen der ehemaligen Geschäftsführung die jahrelange Arbeit der vielen engagierten Menschen hier kaputt machen“, sagt der Geschäftsführende Bruno-Adam Wolf.

Dazu, ob, wie und wann die Medienanstalt die Lizenz neu vergibt, kann die Sprecherin der LNM derzeit keine Aussagen machen. Die gemeinnützige GmbH, die hinter dem Sender steht, hat bereits am Freitag angekündigt, sie werde Insolvenz anmelden.

Mit Leinehertz verlöre Hannover eine freie Stimme für die Bür­ger*innen, sagt Moderator Robert Litz. „Das kann kein kommerzieller oder öffentlich-rechtlicher Sender ersetzen“, fügt er hinzu. Dass eben nicht nur professionelle Jour­nalist*innen, sondern auch Laien hinter die Mikrofone gelassen würden, sei etwas ganz Besonderes.

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