Live-Auftritt einer Online-Satirezeitung: Fake News, abendfüllend
Aus dem ORF verbannt, wird „Die Tagespresse“ auf der Bühne im Wiener Rabenhof Theater lebendig – als politisches Kabarett.
![Ein österreichischer Nachrichtenmoderator, Paul Kraker, im Theater Rabenhof auf der Bühne in einer Art Nachrichtenstudio Ein österreichischer Nachrichtenmoderator, Paul Kraker, im Theater Rabenhof auf der Bühne in einer Art Nachrichtenstudio](https://taz.de/picture/3255233/14/tagespresse_c_pertramer_rabenhof_IMGP7894.jpeg)
In Zeiten, da es politisch nichts zu lachen gibt, gedeiht das politische Kabarett. Das beweist auch das Team von der Tagespresse, einer Online-Satirezeitung, die sich erstmals vor echtem Publikum versucht. Kulisse sind die Monitore eines Nachrichtenstudios, vor denen der echte Nachrichtenmoderator Paul Kraker als einziger live auftretender Akteur im Stile der Zeit im Bild die Fernsehnachrichten verliest. Anders als Oliver Welke in der Heute Show verzichtete der Profi, der am nächsten Morgen wieder in den Frühnachrichten auf Ö1 zu hören war, dabei auf Mimik und witzige Kommentare. Das kann bei zahlendem Publikum nicht abendfüllend für gute Laune sorgen, ist man gewillt zu denken. Doch das Konzept geht auf.
Einer Regierung, die mit entwaffnender Humorlosigkeit daran geht, Spuren sozialdemokratischer Reformpolitik konsequent zu tilgen und den rechten Mainstream auf viele Jahre zu verankern, kann man nur mit Satire angemessen begegnen. Das gelingt nicht zuletzt durch die Beiträge bekannter Schauspieler, allen voran ein Videoblog eines schlagenden Burschenschafters, brillant dargestellt von Nicholas Ofczarek.
Die Tagespresse, 2013 von jungen Studenten gegründet, entwickelt aus tatsächlichen Meldungen satirisch überhöhte Nachrichten. Material dafür liefert die tägliche Politik reichlich. Der Versuch, dieses im Internet erfolgreiche Konzept – immerhin 3.500 Abonnenten zahlen monatlich 3 Euro – im Fernsehen zu etablieren, war von keinem nachhaltigen Erfolg begleitet. Nach nur einer Staffel wurde das Programm abgesetzt. Für 30 Minuten herzhaftes Lachen reichte es nicht.
Und eine Neuauflage ist in einem von der Regierungsmehrheit zunehmend unter Druck geratenen ORF nicht zu erwarten. Bei der Premiere von „Schwarz-Blau Unzensuriert“ im Wiener Rabenhof Theater wurde jedenfalls 100 Minuten gelacht. Vorausgesetzt wurde eine gewisse Kenntnis der Politik und der ORF-Fernsehprogramme.
Fake News
Schon der Titel ist eine Anspielung: Unzensuriert.at ist ein FPÖ-nahes rechtsextremes Nachrichtenportal, das auch gerne Fake News transportiert. In einer Parodie auf die kultige Kuppelsendung Liebesg’schichten & Heiratssachen tritt der bekennende Prolet Mathias, 31, aus Wien auf, der sich von seiner langjährigen Liebe, der SPÖ, abgewandt hat und mit der FPÖ eine neue Partnerschaft einging.
Interviewt von der rauchigen Stimme der Originalsendungsmacherin Elisabeth T. Spira, berichtet er von einer kurzen Romanze, bis er entdeckt, dass die neue Geliebte ihn nach Strich und Faden ausnimmt und ihn mit einem Russen betrügt. Die Pointe: Er darf zu Hause rauchen und auf der Autobahn 140 km/h fahren. Deswegen nimmt er die Nachteile in Kauf und bleibt der neuen Partnerin treu.
Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, denn tatsächlich ist das ein gelungenes Porträt eines typischen FPÖ-Wählers, der aus Protest gegen was auch immer bei den Rechtspopulisten gelandet ist und sich durch Fakten nicht irritieren lässt. Die Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen und Experimente mit Tempo 140 sind nach einem Jahr Regierung die einzigen nachweisbaren Leistungen der FPÖ, die mit Putin liebäugelt und Kanzler Sebastian Kurz’ (ÖVP) Kurs zugunsten der Interessen seiner Großspender aus der Industrie willig unterstützt.
FPÖ-Granden als verkappte Nazis
Diesem Muster folgt der ganze Abend, in dessen Verlauf angebliche Volksschulunterlagen des jungen Sebastian Kurz präsentiert werden, „die seinen Werdegang schon damals vermuten lassen“. Neben vielen subtilen Anspielungen mangelt es auch nicht an erwartbaren Pointen, wenn etwa sämtliche FPÖ-Granden als verkappte Nazis dargestellt werden.
Doch im Interesse der politischen Ausgewogenheit bekommt auch die Opposition ihr Fett ab. Dafür bietet sie schließlich reichlich Anlass. Etwa die ehemalige Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die nach ihrer politischen Karriere ausgerechnet beim Glücksspielkonzern Novomatic anheuerte, dessen Praktiken sie jahrelang bekämpft hatte. Sie wird als anonymisierte Eva G. mit entstellter Stimme ins Bild gerückt, die beichtet, wie sie in ihrer Spielsucht eine ganze Partei verzockt hat. Bekanntlich flogen die Grünen bei den jüngsten Wahlen aus dem Nationalrat.
Die Opposition mag in Österreich durch eigenes Versagen und geschickte Selbstdarstellung der Regierung derzeit neutralisiert sein, doch das politische Kabarett lebt.
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