Literaturverfilmung „Wunder“: Sehnsucht nach Chewbacca
Der Regisseur Stephen Chbosky hat den Roman „Wunder“ über ein Kind mit Gendefekt verfilmt. Julia Roberts und Owen Wilson spielen die Eltern.
„Da bleibt kein Auge trocken“ – postet die Filmvertriebsfirma Studiocanal zum Kinostart von „Wunder“ auf Instagram. Der Spielfilm basiert auf dem gleichnamigen, tatsächlich sehr berührenden Bestseller der US-Autorin R. J. Palacio. „Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer ihr euch vorstellt, es ist schlimmer.“
Mit diesen Worten umreißt der zehnjährige Auggie Pullman vielsagend auf den ersten Seiten des Jugendromans und auch im Film sein durch einen Gendefekt deformiertes Gesicht. Nun soll der aufgeweckte Junge die geschützte Welt seiner New Yorker Kleinfamilie verlassen, um zum ersten Mal gemeinsam mit Gleichaltrigen eine Klasse zu besuchen.
„Wunder“ handelt von diesem ersten Jahr auf der Beecher School – einer enormen Herausforderung für ein Kind, das sein Gesicht bisher in der Öffentlichkeit lieber hinter einem Astronautenhelm versteckt hielt. Die literarische Erzählung schildert die Ereignisse mit Empathie und Humor, abwechselnd aus der Sicht von Auggie, seiner Schwester Via, ihrer Freundin Miranda oder Auggies neuem Freund Jack Will.
Palacios Dramaturgie der verschiedenen Perspektiven folgt auch Regisseur Stephen Chbosky in der gleichnamigen Filmadaption. Auggie mit dem Astronautenhelm, überzeugend gespielt von Jacob Tremblay, begeistert sich für die „Star Wars“-Filme. So sehnt er sich Chewbacca, den loyalen, haarigen Freund aus der berühmten Space Opera herbei, während er sich erstmalig durch die Blicke der neuen Mitschüler quält.
„Wunder“. Regie: Stephen Chbosky. Mit Julia Roberts, Owen Wilson u. a. USA 2017, 113 Min.
Willkommen greift Regisseur Chbosky das filmische Zitat spielerisch auf. Allerdings bleiben solche visuell überraschenden Momente die Ausnahme in dem ansonsten recht bodenständig erzählten Gefühlskino. Besonders die Besetzung mit der perfekten Julia Roberts und dem stets sonnigen Owen Wilson in der Rolle der Parade-Eltern erzeugen eine allzu glatte Oberfläche, die statt irritierender Zwischentöne nur Mittelklasse-Stereotypen aufruft.
Zu einem modernen Märchen mit Happy End wird die Verfilmung schließlich durch die Figur des weisen Schulleiters Mister Pomann und die Inszenierung seiner hervorragend ausgestatteten, privaten Beecher Prep – einer Insel großer Bildungsideale und eines gelebten Humanismus. Das ist interessant, fragt man sich, wie es jemand wie Auggie Pullman in einer x-beliebigen Berliner Grundschule ergangen wäre.
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