Literaturfestival (12 und Schluss): Literatur zum Anfassen
Das Berliner Literaturfestival ist vorbei: Es war irrlichternd und überraschend, ist heute erwachsen und erfolgreich zugleich.
Liao Yiwu, wie er zur Eröffnung allein auf der großen Bühne des Hauses der Berliner Festspiele steht und weltentrückt auf einem chinesischen Blasinstrument spielt. Robert Wilson, wie er sich als Weltstar inszeniert. Durs Grünbein, wie er auf die Naturgewalt Jonathan Meese trifft. Die gewichtigen Autoren Ngugi Wa Thiongo, Kiran Nagarkar und Kyung-Sook Shin, wie sie sich jenseits aller Selbstpromotion für ihre aktuellen Bücher über unterschiedliche Erfahrung des Auf-der-Welt-Seins austauschen.
Gestern ist das Berliner Literaturfestival, das wir an dieser Stelle fast zwei Wochen lang journalistisch begleitet haben, zu Ende gegangen, und man kann eine erfreuliche Bilanz ziehen. Das Festival hatte seine großen, seine irrlichternden, seine überraschenden Momente.
Vor allem aber – und das ist für den Charakter eines Festivals fast ebenso entscheidend wie die Interessantheit der Podien und Brillanz der Lesungen – machten auch die Momente zwischen den einzelnen Veranstaltungen oft Spaß. Herumstehen. Schlendern. Gruppenbildungen. Wer in den Pausen etwa in den Garten des Hauses der Festspiele trat, konnte sich ein überaus weltläufiges Literaturflair abholen. Für interessantes Sprachgewirr sorgt ja allein schon die Internationalität des Programms. Und im Unterschied etwa zur Lit. Cologne ist das ilb trotz mancher notwendiger Professionalisierungsschritte ein Festival zum Anfassen geblieben: Was in Köln in Richtung Show geht, ist in Berlin eingebettet in eine Art weltweites Autorenklassentreffen, bei dem man sich wenigstens in diesem Garten nicht nur als Zuschauer, sondern als Teilnehmer begreifen kann.
Zu den Lieblingsfestivalmomenten gehört dann zum Beispiel so ein Augenblick, in dem man feststellt: Oh, jetzt hätte man ja einen Literaturstar wie Peter Nadas wirklich beinahe übersehen! Man selbst war in ein anregenden Gespräch verwickelt, und um den Autor der „Parallelgeschichten“ und Nobelpreiskandidaten hatte sich gar nicht diese Aura von Weltwichtigkeit entwickelt, die Verlagsmitarbeiter und Groupies gern um ihre VIPs erzeugen.
In seinen besten Momenten hat dieses Literaturfestival das gut hingekriegt: etwas von der Bedeutung der Literatur zu vermitteln und zugleich die Literatur als ganz normale Kommunikationsform zwischen Menschen zu behaupten.
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