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Linksradikale Homos in Aufruhr

■ Initiative aus autonomen Schwulen will eine erneute Kandidatur des grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck verhindern

Der Mann genießt Respekt, nicht nur in den eigenen Reihen: Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen. 1994 erzielte der 36jährige in seinem Kölner Wahlkreis das beste grüne Erststimmenergebnis in Nordrhein- Westfalen. Innerhalb der Grünen gilt der Mann als Linker. Der Mann hat nur einen Fehler: Als schwuler Mann profilierte er sich noch nie damit, im Kleid zu einer Rede vor dem Hohen Haus anzusetzen. Darüber hinaus wirkt er smart, ja umgänglich. Ein Politiker, dem es weniger darum geht, mit Outfit, sondern mit Inhalten aufzufallen – radikaldemokratischen zumeist.

Beck macht innerhalb der Homo-Gemeinde weniger von sich reden, weil er sich für die Entschädigung von vergessenen NS-Opfern einsetzte. Nein, manchen kommt er schlimmer vor als der Ajatollah – weil er sich für schwule Bürgerrechte und die Homo-Ehe stark macht.

Hauptsächlich zwei Milieus empören sich über diese Begehren: das fundamental-christliche („Sünde“) und das fundamental- schwule („Verrat“). Während die erste Gruppe sich nicht traut, den Grünen vorzuschreiben, wen sie mit Mandaten betrauen soll, hat die zweite Gruppe nun empört zum Halali geblasen: „Beck ab!“ heißt das Fanal zweier Berliner Homos, das verhindern soll, daß der Kölner Grüne auch in der kommenden Legislaturperiode den Homo-Hassern aus den anderen Fraktionen das Leben schwermachen kann.

Die Gründe für den Ekel wider einen Politiker, der nie darauf wert legte, von allen geliebt zu werden, werden vehement formuliert: Beck habe einen kaltkriegerischen „schwulenpolitischen Marshallplan“ für Deutschland gefordert, zudem die Homo-Ehe, wo doch jeder wisse, daß „die Ehe für Frauen traditionell ein Kriegshafen“ sei.

Unterstützung haben die Homo-Inquisitoren bislang nicht üppig einsammeln können – der meiste Applaus kam von Homo-Aktivisten des inzwischen verschiedenen Bundesverbandes Homosexualität, der sich gegen den Schwulenverband Deutschland als Interessenorganisation der Schwulen nicht durchsetzen konnte.

Die Unterschriftensammler unterstützten im übrigen 1994 bei der Bundestagswahl die PDS. Sie forderten damals in einer Zeitungsanzeige „Abgeordnete, deren Angehörige in Auschwitz ermordet wurden“ und solche „mit schlechten Zähnen“. Mit beiden Anforderungen kann Beck nach eigener Auskunft nicht dienen. Jan Feddersen

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