Linkspartei begrüßt den Schulz-Effekt: Klappe halten und gewinnen
Seit die SPD in Umfragen gewinnt, verliert die Linke. Doch die Parteiführung bleibt gelassen – ihr Kalkül ist ein anderes.
Jenseits aller Ironie meinen Bartsch und seine Linkspartei es jedoch ernst. Seit Martin Schulz (SPD) zum Herausforderer Angela Merkels (CDU) wurde, scheint eine rot-rot-grüne Bundesregierung nicht mehr nur ein Hirngespinst. Die innerparteilich teils heftig umstrittenenen Treffen von Linken-Abgeordneten mit Grünen und SPDlern würden jetzt nicht mehr belächelt, sagt Schatzmeister Thomas Nord, einer der federführenden Abgeordneten dieser Treffen auf Fraktionsebene. „Eine Mitte-links-Kombination ist nun eine ernsthafte Regierungsoption und spielt in der realen Politik eine Rolle, wie die Reaktionen aus der Union zeigen. Für uns ist das positiv.“
Die Begeisterung in der Linkspartei mutet auf den ersten Blick seltsam an. Seit die SPD Martin Schulz als ihren Kanzlerkandidaten nominiert hat, gewinnt sie in Umfragen dazu. Mit 33 Prozent im Sonntagstrend hat sie gar die Union um einen Prozentpunkt übertroffen. Leidtragende des Höhenfluge sind die Grünen mit 7 und die Linke mit 8 Prozent.
Das verursache keine hektischen Flecken bei ihm, erklärt Bartsch. Man werde diese Wähler zurückgewinnen. Etwas abwägender äußert sich Parteichef Bernd Riexinger: „Wenn Schulz die SPD mehr nach links rückt, birgt das für uns natürlich auch die Gefahr, dass unzufriedene SPD-Wähler wieder zurück zur SPD gehen.“ Das Verlustpotenzial sieht er jedoch im 2-Prozent-Bereich.
Aus der Geschichte lernen
Alles in allem geht die Linke gelassen mit den Schulz-Effekt um, außerordentlich gelassen sogar für eine Partei, die für die Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis anpeilt. Der Grundoptimismus speist sich aus einer lange zurückliegenden Bundestagswahl: 1998 als SPD und Grüne zusammen eine Mehrheit bekamen, nahm die damalige PDS erstmals die 5-Prozent-Hürde und zog als Fraktion in den Bundestag ein. Man habe von der Wechselstimmung profitiert, so die Linke Lesart.
Getreu dem Motto „Aus der Geschichte lernen heißt Siegen lernen“ hofft die Linkspartei also, im Windschatten des Schulz-Hypes mitsegeln zu können. Eine entsprechend störungsfreie Fahrt wünscht sie Schulz. Als der zum Kandidaten nominiert wurde, sagte die Parteiführung im Grunde: nichts. Genauso wenig wie Schulz über die Linke.
„Das ist ein enormer Fortschritt“, bekennt Bernd Riexinger und skizziert das neue Verhältnis zur SPD „Wir wollen uns nicht hinstellen und erklären, wie schlimm die SPD ist, sondern wir wollen die treibende Kraft sein und Angebote machen.“ Die Linke will sich also als linkes Gewissen der SPD profilieren – Koparteichefin Katja Kipping sieht jedenfalls den „Gebrauchswert ihrer Partei bereits jetzt erhöht“.
Der Sahra-Newsletter
Der neue Annäherungskurs an die SPD wird auch von der Spitzenkandidatin der Partei im Wahlkampf Sahra Wagenknecht geteilt, die zum Verdruss der Rot-Rot-Grün-Fans immer gern auf das neoliberale Parteienkartell (alle Parteien rechts von der Linkspartei) geschimpft hat. Auf der Fraktionssitzung am Dienstag soll sie sinngemäß gesagt haben, es wäre falsch, jetzt den Wadenbeißer der SPD zu spielen.
Ob sie die Beißhemmungen so durchhält, bleibt abzuwarten. Über ihren Newsletter team-sahra.de ruft sie ihre Anhänger auf, unter anderem über die Option abzustimmen, ob die Linke Martin Schulz jetzt „stärker kritisieren soll für das, was er in den letzten Jahren politisch gemacht hat“.
Die Netzwerkbildung geht indes munter weiter. Vergangene Woche trafen sich die Generalsekretäre von Grünen, SPD und Linken. Martin Schulz hat sich bei Katja Kipping und Bernd Riexinger bereits telefonisch gemeldet, ein Treffen soll demnächst folgen. Und auch der Trialog zwischen Abgeordneten wird Ende März wieder stattfinden. Das letzte Treffen musste abgesagt werden, weil Schulz verhindert war. Wegen Kanzlerkandidatur.
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