Linker Haushalt in einer rechten Welt: Begriffe schrubben
Ist Hausarbeit links oder rechts? Für den italienischen Philosophen Furio Jesi wohl eher Letzteres. Ein Dilemma wie das Reinigen von Silberbesteck.
H aushalt ist Arbeit gegen die Natur. Insofern ist Haushaltsarbeit emanzipatorisch. Haushalt ist die dumpfe Bewahrung eines Status quo in Dauerschleife. Insofern ist Haushaltsarbeit konservativ. Haushalt ist links, weil es zumindest in einem Mehrpersonenhaushalt, gar einem mit Kindern, solidarische Arbeit ist, „Carearbeit“. Haushalt ist rechts, weil Haushaltsarbeit die Kleinfamilie zementiert und nicht umsonst in allen fortschrittlichen Gesellschaftsentwürfen, von der Kommune bis zum Kibbuz, auf eine breite, professionelle Basis gestellt wurde (was oft genug scheiterte).
Das sind Formulierungsansätze, Gedankensplitter, ein assoziatives Rumschrubben, so ähnlich wie meine Versuche, endlich eine schlüssige Methode zu finden, das Silberbesteck sauber zu kriegen. Auf die grundsätzliche Frage, ob Haushalt links oder rechts sei, kam ich im Nachklang zu einer Buchpräsentation im Italienischen Kulturinstitut in Berlin Ende April.
Es ging um die – demnächst erscheinende – deutsche Übersetzung der Studie „Spartakus. Die Symbolik der Revolte“ des italienischen Philosophen und Germanisten Furio Jesi (1941–1980). Im Anschluss lud ich mir ein anderes Großessay von Jesi aufs Handy, „Cultura di destra“, das Sie unter dem Titel „Kultur von rechts“ auch in deutscher Übersetzung in der Bibliothek Ihres Vertrauens finden können.
Autorität und Gewissheit
Im Anhang dieses Buches findet sich ein Interview aus dem Jahr 1979 mit Jesi. Dort sagt er auf die grundlegende Frage, was denn Kultur von rechts eigentlich sei, unter anderem: „Eine Kultur, die aus Autorität gemacht ist, aus einer mythologischen Gewissheit, was die Normen des Wissens, des Lehrens, des Befehlens und des Gehorchens angeht. Der Großteil unseres kulturellen Erbes beruht auf dieser Kultur von rechts, und zwar auch für diejenigen, die gar nicht rechts sein wollen.“
Auf die abschließende Frage, ob es denn überhaupt möglich sei, eine rechte von einer linken Kultur zu unterscheiden, antwortet Jesi dann, dass ihm eine solche Unterscheidung schwerfalle, und zwar nicht deswegen, weil er sie abstrakt nicht gegeben sähe, sondern weil „ich nicht ohne weiteres Beispiele für eine linke Kultur anführen könnte (wenn die rechte die ist, die ich beschrieben habe)“.
Klar, Jesi spricht von seinem zeitgenössischen Italien 1979; aber mich hat das dennoch geflasht, als hätte ich endlich diese saubere, unaufwendige und erfolgreiche Methode zur Reinigung von Silberbesteck gefunden.
Gefangen in einer Welt von rechten Werten
Denn was Jesi zumindest mir hier sagt, ist, dass die Frage, ob das Haushalten links oder rechts sei, insofern vorwissenschaftlich ist, weil es eine linke Kultur, die sich grundsätzlich von einer rechten unterscheidet, in der realen, bürgerlichen, kapitalistischen, eben rechten Welt, in der wir immer noch leben, gar nicht gibt und vielleicht – da wasche ich jetzt bildlich gesprochen meine eigene Wäsche – auch gar nicht geben kann.
Sogar wenn ich ein noch emanzipierterer Hausmann und Vater wäre, als ich es mit einem Blick auf die Statistiken zur unbezahlten Sorgearbeit („Gender Care Gap“) objektiv leider schon bin, bliebe ich doch gefangen in einer Welt von rechten, „nicht zu diskutierenden, mit Großbuchstaben geschriebenen Werten“, wie Jesi in dem erwähnten Interview sagt. Und dabei habe ich globale Schieflagen noch gar nicht in den Blick genommen.
Furio Jesi starb übrigens 1980 an einer Kohlenmonoxidvergiftung durch einen defekten Heizstrahler: ein Haushaltsunfall eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit