Linken-Vize Schubert: "Dann haben wir ein Problem"
Katina Schubert, Vize-Vorsitzende der Linken, über Christa Müllers antiquiertes Frauen- und Familienbild sowie ihren Ärger mit Parteichef Oskar Lafontaine.
taz: Hat die Linkspartei ein Christa- Müller-Problem oder ein Oskar-Lafontaine-Problem?
Katina Schubert: Es geht hier vordergründig nicht um Personen. Wir haben inhaltlich unterschiedliche Auffassungen in der Familien- und Gleichstellungspolitik. Christa Müller vertritt nicht die Position der Linken. Die Auseinandersetzung damit müssen wir offensiv führen.
Was genau stört Sie an Christa Müllers Haltung?
Sie zeichnet ein völlig antiquiertes Frauen- und Familienbild. Christa Müller reduziert die Frau auf ihre Rolle als Mutter, und als Mutter wiederum hat die Frau vor allem für die Erziehung ihrer Kinder da zu sein. Außerdem glaubt sie, dass die intellektuelle Entwicklung des Kindes Schaden nimmt, wenn es in eine Krippe oder einen Kindergarten geht. Solche Ansichten widersprechen unserem emanzipatorischen Ansatz in der Frauen- und Familienpolitik.
Christa Müller sagt außerdem, dass mit der von der Familienministerin geplanten Verdreifachung der Krippenplätze ein "Zwang zur Fremdbetreuung" entsteht. Sie können es ruhig sagen, Frau Schubert: Das halten Sie für reaktionär, stimmts?
Ich weiß gar nicht, was man unter Zwangs- oder Fremdbetreuung zu verstehen hat. Ich halte Kindertagesstätten gerade auch für Kinder unter drei Jahren für absolut notwendig. Das ist aus gleichstellungspolitischen Gründen genauso wichtig wie aus bildungspolitischen Gründen. Eltern können nur dann wirklich frei entscheiden, wer von ihnen wie lange arbeitet, wenn es ein ausreichendes Angebot an Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder gibt. Außerdem hilft eine professionelle Betreuung in Krippen und Kindergärten den Kindern in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Krippen und Kindergärten sind wichtige Einrichtungen frühkindlicher Bildung.
Noch mal: Ist Christa Müllers Haltung in der Familienfrage reaktionär?
Ihre Position ist in unserer Partei schlicht nicht haltbar. So etwas steht eher katholischen Bischöfen zu.
Christa Müller hat im Spiegel mit der Familienministerin ein Streitgespräch geführt. Ursula von der Leyen kam dabei unglaublich modern rüber - wie eine Alice Schwarzer des 21. Jahrhunderts. Das muss Sie doch wahnsinnig machen.
Es macht mich jedenfalls nicht froh. Es ist für unsere Partei ein ernsthaftes Problem, wenn Ursula von der Leyen als CDU-Politikerin im Vergleich mit der frauenpolitischen Sprecherin der Linken im Saarland plötzlich wie die Inkarnation der Emanzipation da steht.
Christa Müller versteht sich seit vielen Jahren als Linke. Was, glauben Sie, treibt sie in der Familienfrage zu derart konservativen Ansichten?
Ich weiß es nicht. Dazu kenne ich Christa Müller zu wenig. Ich will da jetzt auch nicht psychologisieren. Auffällig scheint mir jedoch, dass sie sich in einer privilegierten Familiensituation befindet, die mit der der allermeisten Frauen in diesem Land nicht vergleichbar ist. Möglicherweise treibt sie das um.
Jetzt haben wir die ganze Zeit über Christa Müller geredet. Ist Oskar Lafontaine also gar nicht das Problem? Oder warum sollte er sich von den Positionen seiner Frau distanzieren?
Oskar Lafontaine soll, wie ich aus der Zeitung erfahren habe, in diesem Punkt hinter seiner Frau stehen. Wenn das zutrifft, dann haben wir ein Problem.
Das darf er nicht?
Er ist unser Parteivorsitzender. Natürlich hat Lafontaine, wie jeder andere bei uns, das Recht auf eine eigene Meinung. Aber wenn er Positionen vertritt, die in unserer Partei in der Minderheit sind, dann muss er sie als solche auch kennzeichnen. Dann kann er sich nicht hinstellen und den Eindruck erwecken, als vertrete er in dieser Frage die Position der Gesamtpartei.
In der Saar-Linken findet Christa Müller mit ihren Forderungen weitgehende Unterstützung.
Nach allem, was ich aus den Diskussionen der letzten Wochen in unserer Partei weiß, vertritt Christa Müller in der Familienpolitik eine Minderheitenmeinung. Und ich werde dafür kämpfen, dass das so bleibt.
Nehmen Sie Lafontaine für seine Frau nicht in Sippenhaft?
Nein. Ich definiere Oskar Lafontaine nicht über seine Frau; umgekehrt tue ich das bei Christa Müller übrigens auch nicht.
Gregor Gysi sagt: Gerade die Frauen in unserer Partei müssen lernen, zwischen Eheleuten zu unterscheiden.
Ich habe es immer abgelehnt, Oskar Lafontaine für die Äußerungen seiner Frau verantwortlich zu machen. Nur wenn er, wie in der Familienpolitik, die Positionen seiner Frau unterstützt, dann ist er Teil der Auseinandersetzung.
INTERVIEW: JENS KÖNIG
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