Linken-Politiker zeigt Öcalan-Bild: Das Konterfei-Tabu
Bei der kurdischen Newroz-Kundgebung in Hannover hat der Linken-Politiker Dieter Dehm ein Bild von PKK-Führer Öcalan gezeigt. Nun droht ihm ein Strafverfahren.
Die Polizei hat das als Straftat bewertet – und Dehm angezeigt. Jetzt muss der Bundestag prüfen, ob die Immunität des Abgeordneten aufgehoben wird.
Die kurdische Arbeiterpartei PKK ist in Deutschland seit 1993 verboten. Um zu verhindern, dass sie sich politisch betätigt, hat das Bundesinnenministerium im vergangenen Jahr auch das Zeigen ihrer Abzeichen, von Symbolen ihr nahestehender Organisationen und das Schwenken gelber und gelbgrüner Fahnen mit dem Bildnis Öcalans verboten. Dehm räumt ein, ein Porträt des inhaftierten PKK-Chefs hochgehalten zu haben.
„Eine Fahne war das nicht, sondern einfach ein Bild auf weißem Grund, das ich bei mir hatte“, so Dehm zur taz. „Das war eine spontane Aktion, die ich versucht habe, in meinen Auftritt einzubinden.“ In dessen Vorfeld sei es zu einer kritischen Situation gekommen. Mehrfach hatte die Polizei einen der zwei Demonstrationszüge zur Kundgebung gestoppt, weil Teilnehmende PKK- oder Öcalan-Fahnen geschwenkt hatten.
Mindestens drei Männer wurden nach Angaben der Polizeidirektion Hannover festgenommen. Auch vor der Zentralbühne hatten schließlich mehrere Demonstrierende verbotene Fahnen in die Höhe gehalten. In dem Augenblick habe der Versammlung die Auflösung gedroht, so Dehm. „Ich habe deshalb vom Podium herab gebeten, die einzurollen.“ Im Gegenzug werde er ein Öcalan-Bild zeigen, während er „Bella Ciao“ spielte, das Lied der italienischen antifaschistischen Partisanen.
Diether Dehm (Die Linke)
Nach seinem Auftritt stellte sich Dehm der Polizei – und klärte die Beamt*innen über seinen Abgeordneten-Status auf. Denen bescheinigte er ein „ausgesprochen maßvolles Verhalten“. Keiner der von ihm angesprochenen sechs Polizisten habe „auch nur ein Minimum des Verständnisses für das PKK-Verbot und seine Durchführung“ geäußert.
Um gegen den Abgeordneten ermitteln zu dürfen, muss die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität beim Bundestag beantragen. Danach würde ihm ein förmliches Verfahren wegen Werbens für eine verbotene Vereinigung drohen.
Dehm wird das nicht klaglos über sich ergehen lassen. Schon gegen die Aufhebung der Immunität werde er sich von Anwalt Peter Gauweiler vertreten lassen. Immerhin habe er dieses Privileg „genau aus dem Grund und in dem Sinne eingesetzt, wozu dieses demokratisch-parlamentarisch erkämpfte Privileg auch da ist: Nämlich zu deeskalieren und andere, die über Immunität nicht verfügen, von Straftaten abzuhalten.“ Sollte es dennoch zu einem Verfahren und gar zu einer Verurteilung kommen, werde er sich diesmal nicht so einfach beugen.
Im Jahr 2015 hatte Dehm, weil er bei einer pro-kurdischen Demo in Berlin eine PKK-Fahne hochgehalten und zum zivilen Ungehorsam gegen das PKK-Verbot aufgerufen hatte, eine Strafe von 3.000 Euro bezahlt.
Viel juristischer Spielraum
Auch weil sich die vermeintliche Tat im Rahmen einer künstlerischen Performance ereignet hat, gibt es diesmal viel juristischen Spielraum. „Wir sind entschlossen, die Sache bis vors Bundesverfassungsgericht zu verfolgen“, stellte der 67-Jährige klar, der im September als Spitzenkandidat der niedersächsischen Landesliste erneut in den Bundestag eingezogen war. „Diese Abzeichenverbote sind eine deutsche Besonderheit“, so der Schatzmeister der Europäischen Linken. „In Frankreich oder Italien wären sie unvorstellbar.“
Ob es überhaupt zu einer Anklage kommt, ist zweifelhaft: In Stuttgart war im vergangenen Jahr ein Öcalan-Soli-Video auf eine Hauswand projiziert worden, aber auf weißem Grund: Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Ermittlungen. Bei Demos in Köln waren gespiegelte Öcalan-Konterfeis auf orangenem Grund gezeigt worden, die Polizei schritt nicht ein.
Dehm prangert insofern die „besondere Skurrilität des Verbots einzelner Symbole unter bestimmten situativen Umständen“ an. Auch fordert er, dem Strategiewechsel der PKK „noch deutlicher hin zu einer demokratischen Organisation“ Rechnung zu tragen und sie, wie in Belgien, von der Terrorliste zu streichen. Die Kurd*innen seien es gewesen, „die uns geholfen haben, den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen“.
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