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Linken-Abgeordneter Liebich hört aufDer Einzelkämpfer geht

Stefan Liebich, Außenpolitiker der Linkspartei, verlässt die Politik. Der Reformer-Flügel wird damit geschwächt, Grün-Rot-Rot noch unwahrscheinlicher.

Will nicht mit der Tür knallen: Stefan Liebich Foto: Janine Schmitz/imago

Berlin taz | Stefan Liebich, Linkspartei-Realo und Außenpolitik-Experte wird nach 25 Jahren mit der Politik aufhören. 1995 wurde er Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus. Er hat den ersten rot-roten Senat mit ins Amt gehoben. Im Bundestag versuchte er erfolglos, eine rot-rot-grüne Regierung zu zimmern. Liebich, der dreimal den Wahlkreis Berlin-Pankow direkt für die Linkspartei gewann, ist das, was man ein political animal nennt: zäh, hart im Nehmen und ganz und gar mit dem politischen Betrieb verschmolzen. Warum hört er auf? Ausgerechnet er?

Wegen seiner Krankenkasse, sagt Liebich. Er war neulich dort und ein Mitarbeiter ließ die Bemerkung fallen, dass Liebich jetzt ja schon mehr als die Hälfte seines Berufslebens hinter sich habe. Der 47-jährige kam ins Grübeln. Im Bundestag sehe er manchmal „Kollegen, deren Batterie halb leer ist“. So tauchte die Frage auf: „Will ich auch so enden?“ Die hat er nun beantwortet.

Die Entscheidung fiel, so Liebich, schon bevor Andrej Hunko vor einer Woche zum Vize-Chef der Linksfraktion gewählt wurde. Hunko steht auf dem entgegengesetzten außenpolitischen Flügel der Linkspartei, der extrem USA-kritisch ist und bei Putin und Venezuela ein weites Herz hat. Liebich betont, dass der Abtritt vor allem eine persönliche Entscheidung ist, keine aus Resignation oder Frustration. „Ich knalle nicht mit der Tür“, so Liebich, der Fraktion und Partei meist offener und schonungsloser kritisiert hatte als seine Realo-Kollegen.

Allerdings: Dass Liebich, der die Linkspartei außenpolitisch anschlussfähig machen wollte, geht und Hunko in der Fraktion Karriere macht, zeigt, dass es in der Linksfraktion unübersehbar regressive Neigungen gibt.

Freunde reagierten zerknirscht

Seine politischen Freunde wie Matthias Höhn und Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, hätten, so Liebich, zerknirscht auf seinen Entschluss reagiert. Der sei persönlich verständlich, aber politisch ein Rückschlag. Fixe Pläne hat Liebich nach eigenem Bekunden für die Zukunft noch nicht, aber Ideen. Der Bruch mit der politischen Karriere werde jedenfalls komplett ausfallen.

Liebich hat die Parteispitze vor ein paar Tagen von seinem Schritt informiert. Er wird bis zum Ende der Legislatur im Bundestag bleiben, doch schon jetzt seinen Job als Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags an den Nagel hängen. „Die Kämpfe dort nicht mehr weiter zu führen, ist ein Luxus, den ich mir erlaube“, so Liebich.

Das ist eine feine, aber deutliche Spitze gegen Sevim Dagdelen und Heike Hänsel, die die Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss vertreten und jenen antiimperialistischen, teils antiwestlichen Kurs vertreten, den Liebich versucht hat zu konterkarieren. Dieser Kampf, so muss man diesen Abschied wohl deuten, war letztlich erfolglos. Liebich blieb in der Außenpolitik in der Fraktion immer Einzelkämpfer.

Omid Nouripour, für die Grünen Obmann im Auswärtigen Ausschuss, bedauert Liebichs Abgang. Der sei ein „kompetenter Kollege“, mit dem er „bei allem Dissens immer im Gespräch geblieben“ sei. „Mit Stefan verlieren wir einen Brückenbauer“, so Nouripour. Damit trüben sich auch die Aussichten auf eine mögliche grün-rot-rote Regierung ein. In der Außenpolitik sind die Gräben tiefer als in anderen Feldern.

„Die Fraktion kann sich jetzt schon umschauen, wer mein Nachfolger wird“, sagt Liebich. Infrage kommt neben der karrierebewussten, aber als äußerst polarisierend geltenden Sevim Dagdelen vielleicht Matthias Höhn, der indes im Verteidigungsausschuss sitzt. Das Bittere ist: Es gibt in der Fraktion kaum jemand, der so wie Liebich weiter enge Drähte zu SPD und Grünen spannen kann. Oder will.

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16 Kommentare

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  • Kollegen, deren Batterie halb leer ist, sind allerdings in allen Berufsfeldern mehr oder weniger anzutreffen. Wird schwierig werden, dem altersbedingten Verschleiß entgegenzuwirken in unserer ach so schönen immer weniger sozial ausgerichteten Marktwirtschaft!

  • 6G
    65940 (Profil gelöscht)

    Wenn er nach 25 Jahren als Abgeordneter in "die Mitte" gerutscht ist, wunderts mich auch nicht. Gut wenn er dann geht.



    Was bringen Parteien, die von der rechten Oma bis zum linken Student alle vertreten wollen? Außer einzulullen und zu manipulieren, wie man es bei der SPD sieht.



    Die traumatisiert-träge deutsche Masse, die irgend einem stattlichen Kanzler folgt, ist zwar praktisch, aber auch tödlich.

  • Gut, dass er geht.

    Anerkennung finden hier linke PolitikerInnen offensichtlich nur, wenn sie völlig angepasst sind und sich dem politischen Establishment anbiedern.

  • Der Autor scheint mit einer konsequenten linken Außenpolitik, wie sie von Sevim Dagdelen betrieben wird, nicht zurecht zu kommen. "Karrierebewusst"? Oder soll es "machtgeil" heißen? Sevim Dagdelen hat vor fast einem Jahr erklärt, dass sie nicht wieder für den stv. Vorsitz der Linksfraktion kandidiert, obwohl sie Wiede gewählt worden wäre.



    "Polarisierend"? Wer eine Initiative zur Freilassung von Julian Assange gemeinsam mit ehemaligen Ministern von FDP und SPD, MdB's der LINKEN, der Grünen, der SPD und sogar CDUlern sowie vielen Kulturschaffenden auf den Weg bringt, scheint sehr gut vernetzt zu sein. Eine solche Initiative habe ich vom Vorkämpfer für rot-rot-grün nicht erlebt? Der Autor sollte also besser mal seine Fakten checken, ehe er seine Vorurteile in der Zeitung veröffentlicht.

  • Ich hoffe sehr, dass die Kräfte der Anbiederung an das Establishment damit entscheidend geschwächt werden. Dann könnte die Linke vielleicht doch (wieder) eine brauchbare Partei werden, nicht revolutionär, aber zumindest kämpferisch.

    • @Gemeiner Hai:

      ....die nächsten Rechnungen einer Mauer werden ganz bestimmt nicht mehr von den Realos bezahlt, "Gemeiner Hai", sondern dafür können die planlosen "Revolotionäre" selbst aufkommen, die auch sonst nichts auf die Reihe bekommen........

  • Es gibt so viele gute fähige Leute, die wie Janine Wissler in Hessen als "wahre" Oppositionsführerin oder Kristina Vogt in Bremen als Senatorin für Wirtschaft Arbeit super Arbeit leisten.

    Wenn ich dann wieder von irrlichternden Außenpolitikern mit "weitem Herz für Putin" höre, bekomme ich Würgreiz.

    Wann begreifen "Die Linke"-PolitikerInnen denn endlich mal, dass die Politik der russischen Regierung rechtsnational auf allen Feldern ist.

    Ein klepto-oligarchisches System, das nichts fortschrittliches hat, sondern durch den zunehmenden Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche regressiv, reaktionäre Züge aufweist.

    Putin fördert die fiesesten, peinlichsten Rechtsextremisten à la Strache oder Le Pen und hat mit AfD-Fronmeier seinen Einflussagenten im Bundestag.

    Da gäbe es aus Selbstachtung nur eins: Klare Kante von fortschrittlichen Linken gegenüber rechten Ultranationalisten.

    , wenn ich AfD-Politier sehe oder verstrahlte Pegida-leute, die "Putin-hilf-uns" brüllen.

    • @JuPa:

      wäre komisch wenn man zu 100% mit einer Partei übereinstimmt oder... und ja, der Punkt stört mich auch

      • @danny schneider:

        schade. .



        dieses locker flockig übr NATO leichen MITgehen passt nicht zum friedensbewgungsdesign der LINKEn

  • Mal unabhängig von der Person die mir nix sagt... Dauerpolitiker sind eines der grundlegenden Probleme des Systems. 25 Jahre sind eh 15 zu viel

  • "Hunko steht auf dem entgegengesetzten außenpolitischen Flügel der Linkspartei, der extrem USA-kritisch ist und bei Putin und Venezuela ein weites Herz hat."

    Wenn die Linke in der öffentlichen Wahrnehmung mal wirklich über das typische "die wollen doch nur die DDR 2.0" hinauskommen möchte, sollte man sich mal überlegen ob man diese unsägliche außenpolitische Schwarzweißmalerei nicht irgendwann einfach mal bleiben lässt. Ich versteh's echt nicht.

  • Liebich geht, Hunko kommt. Anders herum wäre es mir lieber gewesen.

    • @Jim Hawkins:

      schade. sicher richtig über das parteiprogram informiert zu sein als LINKE sympathsant oder Mitglied?

    • @Jim Hawkins:

      Jaaaa!!!!! Aber so herum ist es eine Tragödie für die Linke in Deutschland.

      Ich bin zutiefst erschüttert ... enttäuscht. Mit Liebichs Abgang werden die Prinzipien der Linke (Gleichheit vor dem Gesetz, Demokratie, Menschlichkeit, Anti-Nationalismus usw.) zugunsten von Tankern, Rassismus, Nationalismus und den zugehörigen Autokratien wanken.

      • @Links van der Linke:

        Wo hat denn dieses "Phantasma" seinen Ursprung?