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Linke über gegenderte Sprache„Die CDU hat eine Welle losgetreten“

Die Linke Gabriele Ritter will keine gendergerechte Sprache für Gegenstände. Rechte und Konservative verbreiten aber das Gegenteil.

Gendern? Ja, findet die Linke. Aber das gilt nur für Menschen, nicht für Gegenstände wie Mülleimer Foto: dpa
David Joram
Interview von David Joram

taz: Frau Ritter, die freie Wählergemeinschaft Flensburg (WiF) hat beantragt, den Begriff Ratsfrau durch Ratsdame zu ersetzen. Sie haben daraufhin einen satirischen Ergänzungsantrag gestellt: Arbeitsgeräte sollten künftig gegendert werden, etwa so: Der/die KopiererIn. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?

Gabriele Ritter: Das Telefon klingelt ununterbrochen, die Zahl der Anrufe ist an einem Tag so hoch wie sonst in einer Woche. Und wir erhalten zahllose Mails, darunter viele schlimme vom rechten Rand. Ich möge mir irre kichernd eine Pistole an den Kopf setzen, solche Sachen zum Beispiel. Das lasse ich aber links liegen. Den Fragestellern, die ernst gemeinte Anfragen senden, schicke ich ein Paket mit dem korrekten Antrag der WiF, dem satirischen Ergänzungsantrag und beiliegend eine Erklärung, dass es sich um einen satirisch gemeinten Antrag handelt.

Wieso nehmen die Menschen die Sache so ernst?

Ich weiß, dass der Antrag – kurz nachdem er bei uns online war – in der CDU-Parteizentrale in Berlin gelandet ist. Die haben wohl eine gute „Feindbeobachtung“. Der CDU-Politiker Frank Bergmann hat die Geschichte dann via Twitter weiterverbreitet. Allerdings unter dem Hashtag „keinWitz“. Und der Ersatzantrag wurde kurzerhand als Antrag verkauft. Die CDU hat die Welle damit losgetreten. In der CDU Flensburg hat man das dann mächtig aufgegriffen, anstatt sich den Ersatzantrag mal genau durchzulesen. Auch die Junge Freiheit und die Bild-Zeitung sind auf den Zug aufgesprungen und wollten uns gezielt schaden.

Wie wehren Sie sich?

Zuerst habe ich das gar nicht mitbekommen, weil ich nicht twittere. Die Gelegenheit zur medialen Richtigstellung hat uns ein Journalist der Funke-Mediengruppe gegeben, der das Thema entsprechend relativiert hat.

Dabei hat Flensburg eigentlich andere Probleme, oder?

Natürlich! Es hakt beim öffentlichen und sozialen Wohnungsbau, es fehlen Kitaplätze. Aber es gibt auch positive Meldungen: Die AfD bekommt bei uns kein Bein an Land. Wir haben tolle Flüchtlingsprojekte, etwa das bunte Bündnis. Das entstand als Reaktion auf Flegida.

Wie fänden Sie es eigentlich, wenn es in Ergänzung zu die Linke, auch „der Linker“ geben würde?

(lacht) Oh, genau dieser Vorschlag wurde ebenfalls per Mail eingereicht. Wir stehen ja durchaus für eine gendergerechte Sprache. Aber das wäre des Guten doch zuviel.

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7 Kommentare

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  • Im Deutschen sind die Artikel den Substantiven total willkürlich zugeordnet. Wieso der Stuhl zum Beispiel männlich ist, die Bank hingegen weiblich, ist niemandem erklärbar, der nicht Muttersprachler ist. Nicht mal im Fall von Lebewesen muss das biologische Geschlecht zum Sozialen passen in der deutschen Sprache. Der Hund zum Beispiel ist selbst dann noch männlich, wenn er gerade Welpen säugt. Die Katze ist hingegen auch als Kater weiblich.

     

    Wenn Kinder fragen, heißt es schlicht: "Das war schon immer so. Kein Mensch weiß, wer es angeordnet hat." Dem Kind ist das genug. Für konservative Erwachsene allerdings sind solche "Leerstellen der Macht" eine Provokation. Wo niemand Macht ausübt, kann man es ja mal selbst probieren...

     

    Psychologisch ist die Reaktion der CDU (die sprachlich weiblich ist, in ihrer internen Struktur jedoch entschieden männlich) hoch interessant. Sich animiert zu fühlen von dem Spaß-Antrag der Linken, konnte sie sich wohl nur deshalb leisten, weil die Politik nur sprachlich weiblich ist. Sozial "tickt" sie nach maskulinen Regeln. Spaß ist in ihr nicht angelegt. Er passt nicht zum Gorilla-Auftritt selbsternannter Silberrücken. Man kann also als CDU-Politiker so tun, als hätte man ihn nicht verstanden, den Spaß an der Geschichte. Statt dessen kann man einen Anspruch postulieren: "ICH mache das, ich habe schließlich Macht!"

     

    Das ist nicht lustig, aber lächerlich. Auch da, wo Bayern 1, der Sender für die alten Leute, vor allem Oldies, Volksmusik und Kleinkriminalität im Programm hat – und ModeratorInnen, die zwar nicht mit Humor gesegnet sind, die aber trotzdem witzig wirken wollen, weil das nun mal als "must have" gilt derzeit. Radio-Mitarbeiter müssen durch ein "Wahlprogramm". Sie werden selektiert. Von Typen, die sich eine Heimat eingerichtet haben bei Bayern 1, dem Sender für die gute alte Zeit, in der es noch kein Radio gegeben hat – und Radiomacher auch noch nicht. Das hat schon was, nicht wahr? :-)

  • Mir fällt kein anderes Thema ein, zu dem des so viele Missverständnisse gibt. Absicht? oder nicht - ich bin mir da nicht sicher!

    Der satirische Antrag war unter dem Gesichtspunkt ein Fehler. Satire wirkt nur, wenn die Leute auch verstehen, dass es Satire ist. Leider glaubt wohl die Mehrheit, dass "gender mainstreaming" heißt, dass das "Geschlecht abgeschafft" werden soll, und nicht, wie in Wahrheit, die rechtliche/gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter.

    Außerdem wird von Rechtspopulisten wie Hendryk M. Broder etc. (erfolgreich) verbreitet, dass die "Genderisten" behaupten würden, das Geschlecht sei nur ein soziales Konstrukt. Obwohl das ja niemand behauptet hat!! Diese Populisten nutzen nur den Übersetzungsfehler, dass es für das Wort "Geschlecht" im Englischen zwei Bedeutungen gibt: sex (körperliches Geschlecht), und gender (soziales Geschlecht). Natürlich ist das soziale Geschlecht sozial definiert. Sagt ja schon das Wort. Was auch sonst!?!

    Ich gebe den Medien eine Mitschuld an diesen Missverständnissen, weil sie nicht in der Lage, oder nicht Willens sind das besser zu erklären!

    • @karlei:

      Wenn dem so wäre warum wird dann nicht von Gleichberechtigung gesprochen sondern dieses mehr als mißverständliche Wortungetüm "gender mainstream" verwendet?

      Und: Es gibt eben genug Leute, die Geschlecht tatsächlich für ein soziales Konstrukt halten und daraus Konsequenzen ziehen wollen.

       

      Am Ende des Tages ist es dann doch kein Mißverständnis.

      Oder?

      • @Werner W.:

        Ich bin über den Begriff "gender mainstreaming" auch nicht glücklich, eben weil er so oft missverstanden wird.

        Das wurde halt im Rahmen der UN in der Weltsprache Englisch so beschlossen. Die Deutsche Sprache hat leider das Defizit, dass sie nur das Wort "Geschlecht" kennt und nicht in "sex" und "gender" differenziert.

        Daruaus entstehen eben leider ständig Missverständnisse:

        Der Satz "Geschlecht ist ein soziales Konstrukt" stimmt nur wenn sie Geschlecht mit "gender" übersetzen und nicht mit "sex". Das körperliche Geschlecht ist selbstverständlich kein soziales Konstrukt. Das hat auch niemand behauptet! Das soziale Geschlecht ist selbstverständlich ein soziales Konstrukt. Schon kleine Kinder werden in ihren jeweiligen Rollen sozialisiert und erzogen. Beim gender mainstreaming geht es nur um das Problem, dass an die Rolle als Mann oder Frau bestimmte Erwartungen geknüpft sind und der Mensch in eine Rolle gedrängt wird. Beispiel: Schon kleinen Jungen wird vermittelt und es wird gefördert, dass sie sich für Technik zu interessieren haben.

        Beim gender mainstreaming geht es lediglich darum, dass sich jeder Mensch frei entfalten können sollte, unabhängig von seinem Geschlecht. Genauso wie von Hautfarbe, etc.

         

        In jedem Artikel zu dem Thema sollte es eine kurze Erklärung zu den Begriffen geben, um endlich diese Missverständnisse abzubauen.

         

        Frage an Sie: Wer hält denn "Geschlecht" für ein soziales Konstrukt, ohne dass er dabei die soziale Rolle, also "gender" meint?

        Glauben Sie wirklich, dass zB Mädchen Rosa mögen und Jungen Blau, weil es an ihren Genen oder Hormonen liegt? (Hinweis: vor 100 Jahren war es genau anders herum)

      • @Werner W.:

        Solange auf der anderen Seite Leute stehen, die Geschlecht für etwas halten, das kategorisch die Menschheit in zwei grundlegend verschiedene Gruppen aufteilt (Männer und Frauen), die in sich völlig homogen sind (alle Männer sind gleich, alle Frauen sind gleich), ist "Geschlecht ist ein soziales Konstrukt" eher richtig als falsch.

         

        Denn dass sehr vieles von dem, was Konservative als "männlich" oder "weiblich" verstehen, nicht für alle gleich gilt, ist offensichtlich.

         

        Wie immer ist das eine Polarisierung, die niemandem gut tut. Bei den Konservativen sitzt dahinter einfach eine Angst, dass Dinge als verhandelbar oder individuell gelten, die sie als gott- oder naturgegeben unverrückbar annehmen, für alle Menschen und alle Zeiten. Dass das für den Einzelnen unter Umständen purer Terror ist, ist ihnen egal, denn sie sind ja nicht diese Einzelnen.

        • @Mustardman:

          "ist "Geschlecht ist ein soziales Konstrukt" eher richtig als falsch."

           

          Also doch kein Mißverständnis.

           

          Warum nicht einfach von Gleichberechtigung sprechen und tatsächliche Verstöße dagegen thematisieren?

  • Kein Witz: Ich war heute Nachmittag in der Autowerkstatt eines Freundes in Nürnberg. Dort läuft im Radio immer "Bayern 1" (Oldies, Volksmusik, kurz: Programm für "alte" Leute). Dann kam ein Beitrag indem sich die Moderatorin auf übelste Art über den Antrag von "einer Linken Politikerin" lustig gemacht hatte, weil "die Linke" doch tatsächlich Werkzeuge gendern möchte.

     

    Man braucht sich also nicht wundern das die Linke nicht im bayrischen Landtag vertreten ist wenn der Bayrische Rundfunk hier aktiv dabei hilft die Linke ins lächerliche zu drehen. In dem Radiobeitrag wurde nämlich davon ausgegangen, es handle sich um einen Ernst gemeinten Antrag und nicht um Satire!