Linke Projekte in Berlin: Herbst der Verdrängung…

.. oder Herbst des Widerstands: Ein halbes Dutzend linker Projekte steht vor dem Aus. Doch sie wollen sich alle gemeinsam wehren.

Vermummte Personen auf einem Balkon der Liebigstraße 34

Sieht nicht aus, als wollen sie freiwillig gehen: Vermummte auf einem Balkon der Liebigstraße 34 Foto: dpa

BERLIN taz | Steht Berlin ein Herbst der Verdrängung alternativer Projekte bevor? Oder ein Herbst des Widerstandes? Anzeichen zumindest gibt es, beide Fragen mit Ja zu beantworten. Eine ganze Reihe von linken Projekten steht auf der Kippe: Als erstes treffen könnte es das queerfeministische Hausprojekt Liebigstraße 34 und die Neuköllner Kiezkneipe Syndikat – für beide sind die Prozesse über Räumungsklagen ihrer Eigentümer bereits terminiert.

Darüber hinaus droht das Ende dem Kreuzberger Kneipenkollektiv Meuterei, dem jüngst besetzten Wagenplatz an der Rummelsburger Bucht, der – zumindest noch offiziell – besetzten Wohnung in der Großbeerenstraße 17a und dem autonomen Schöneberger Jugendzentrum Potse. Gegen letzteres hat der Bezirk eine Räumungsklage eingereicht, eine Einigung in einer vom Landgericht vorgeschlagenen Mediation ist angesichts fehlender Raumalternativen unwahrscheinlich. In der linken Szene wird der drohende Verlust der Projekte als ein Angriff gewertet, der nicht widerspruchslos bleiben soll.

Alle genannten Projekte haben sich unter dem Aufruf für stadtpolitische Aktionstage Ende September versammelt – unter dem Titel „Tu mal wat“. Der Ankündigung zufolge möchte man die „wohnungspolitischen Kämpfe weiter zuspitzen“. Konkret geht es um die „Verhinderung der angedrohten Räumungen und die Neubesetzung anderer Räumlichkeiten“. Aufgerufen zu den vier Aktionstagen haben die Kampagne #besetzen, unter deren Namen zuletzt mehrfach Häuser besetzt wurden, das autonome Hausprojekt Rigaer Straße 94 oder die MieterInnen der Padovicz-Gruppe, der auch das Haus in der Liebigstraße gehört.

Am 20. September, eine Woche vor Beginn der Aktionstage, wird vor Gericht über das Ende des laut Selbstbeschreibung anarcha-queer-feministische Hausprojekts verhandelt. Zwar gibt es noch Gespräche zwischen Eigentümer und Bezirk, wie Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) auf taz-Anfrage bestätigt, doch wenn es zum zum Prozess kommt, ist ein Räumungstitel wahrscheinlich: der zehnjährige Pachtvertrag für das Haus war zum Jahresende ausgelaufen und vom Eigentümer nicht verlängert worden. Als sicher kann gelten: Die Liebig34 wirkt als Szenesymbol mobilisierend, sowohl für Demonstrationen im Vorfeld als auch nach einem möglichen Räumungsbeschluss.

Syndikat wehrt sich

Fast ein Jahr nach Vertragsende und Verweigern der Schlüsselübergabe wird es dann für die Kiezkneipe Syndikat eng. Das Landgericht hat einen Räumungsprozess für den 29. Oktober terminiert. Das Syndikat hatte aufgedeckt, dass hinter ihrer Briefkasten-Eigentümerfirma der britische Immobilienkonzern Pears Global steht, der mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin auf die Enteignungsliste gerutscht ist.

Die Strategie des Syndikat-Anwalts Benjamin Hersch zielt auf die verworrenen Strukturen der Eigentümer: „Wir bestreiten die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Gegenseite“, so Hersch im taz-Gespräch. In seiner Klageerwiderung geht es um die Nicht-Erreichbarkeit der Haus-Eigentümerfirma, die sich in Luxemburg mit 80 anderen Gesellschaften einen Briefkasten teilt, und die wohlmöglich nicht korrekte Bestellung ihrer beiden Geschäftsführer.

Das Landgericht hat angeordnet, dass mindestens ein Geschäftsführer zum Prozess erscheinen muss. Das Syndikat protestiert derweil weiter: am Donnerstagnachmittag vor dem Pears-Büro am Kudamm.

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