„Lifeline“ und „Sea-Watch“ im Mittelmeer: Seenotretter unter Druck
Die europäische Abschottung zeigt Resultate. Der Kapitän der „Lifeline“ muss vor Gericht. Die Schiffe anderer NGOs sind blockiert.
Malta wirft der Dresdner Nichtregierungsorganisation Mission Lifeline vor, ihr Schiff sei nicht ordnungsgemäß registriert für die Seenotrettung in hohen Gewässern. Die „Lifeline“ hatte vor Libyen rund 230 Menschen gerettet, bevor sie tagelang im Mittelmeer ausharren musste, weil kein Land das Schiff aufnehmen wollte. Letztlich durfte es am Mittwochabend vergangener Woche in Valletta einlaufen.
Seenotrettungs-NGOs sehen im juristischen Vorgehen des Landes eine politische Kampagne. „Wir hoffen, dass es nicht so ist“, sagte Neil Falzon aus Reischs Verteidigungsteam vor JournalistInnen. „Aber wir vermuten, dass die maltesische Regierung auf dem Lifeline-Vorfall herumhackt, um auf Brüsseler Ebene ein politisches Statement zu machen, dass Grenzen geschlossen werden müssen und Europa NGOs nicht toleriert, die Flüchtlinge und Migranten auf See retten.“
Mission Lifeline postete am Sonntag ein Dokument auf Twitter, das die ordnungsgemäße Registrierung des Bootes beweisen soll. „Seit September 2017 segeln wir mit dem Wissen der niederländischen Behörden unter niederländischer Flagge“, erklärte die Organisation.
Nach Angaben der niederländischen Regierung fährt das Schiff allerdings nicht rechtmäßig unter niederländischer Flagge, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Die „Lifeline“ sei nur im Register des Wassersportverbandes eingetragen – ein Register für nicht beruflich genutzte Boote. Dieser Eintrag ist nur eine Art Eigentumsnachweis. Am Donnerstag wird das Verfahren fortgesetzt.
Italienische Blockadepolitik
Damit läuft derzeit keins der vier großen privaten Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer zu Rettungsmissionen aus. Das vorerst letzte Schiff, das am Samstag etwa 30 Kilometer vor der libyschen Küste 59 Flüchtlinge rettete, ist die „Open Arms“, die für die spanische NGO Proactiva Open Arms im Einsatz ist.
Auch hier hatte sich das Blockade-Spiel zwischen Malta und Italien wiederholt, das in den vergangenen Wochen mehrfach Retter und Gerettete in eine wahre Odyssee gezwungen hatte: Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega gab an, die NGO könne „vergessen, in einem italienischen Hafen anzukommen“. Der nächste Hafen sei Malta. Die maltesische Regierung ließ ihrerseits wissen, das italienische Lampedusa sei näher am Rettungsort. Einzig Spanien zeigte sich am Ende zur Aufnahme der Geretteten bereit. Die Ankunft des Schiffs in Barcelona wird für Mittwoch erwartet.
Zum dritten Mal binnen weniger Tage griff damit die italienische Blockadepolitik. Zunächst hatte Salvini die „Aquarius“ mit 630 Flüchtlingen an Bord nicht einlaufen lassen. Dann hatte sein Bannstrahl die „Lifeline“ getroffen.
Malta lässt derweil die „Sea Watch“ der gleichnamigen deutschen NGO nicht auslaufen. Die Behörden hätten dies untersagt, gab die „Sea Watch“ an. Die Hafenverwaltung erklärte lediglich, dass der Status des Schiffs überprüft werde.
Es scheint, als bedürften weder Malta noch Italien bei ihrem Feldzug gegen die NGOs noch juristischer Gründe. Italiens Innenminister Salvini jedenfalls verfügte, den ganzen Sommer über blieben die Häfen des Landes für alle NGO-Schiffe gesperrt. So hatte die „Open Arms“ schon letzte Woche das Verbot erhalten, italienische Häfen anzufahren, da dies „die öffentliche Ordnung“ gefährde.
Anstieg der Todesfälle im Mittelmeer
Als Beleg hierfür zog Verkehrsminister Danilo Toninelli von den Fünf Sternen heran, beim letzten Aufenthalt des Schiffs in einem italienischen Hafen habe es „Demonstrationen“ gegeben. Damals hatten etwa 100 Aktivisten friedlich im Hafen von Pozzallo gegen die Beschlagnahmung des Schiffs protestiert.
Die NGOs sehen Folgen dieser Politik: „Der jüngste Anstieg der Todesfälle im zentralen Mittelmeerraum ist direkt auf das Vorgehen gegen die einzigen noch vorhandenen und zuverlässigen Rettungsmittel sowie auf die europäische Politik der Nichthilfe zurückzuführen“, erklärt Sea Watch.
Tatsächlich kamen zuletzt besonders viele Menschen im Mittelmeer um: Die Internationale Organisation für Migration (IOM) sprach von 200 Menschen, die allein in den vergangenen Tagen bei der Überfahrt von Libyen gestorben seien. „Die Schlepper nutzen die Verzweiflung der Migranten aus, die fliehen wollen, bevor Europa weitere Maßnahmen ergreift, um die Überfahrten über das Mittelmeer zu unterbinden“, sagte IOM-Libyen-Chef Othman Belbeisi.
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