Liebeserklärung: Kopiervorlage
Es geht an den Universitäten zurück zu Papierhaufen und langen Warteschlangen – der VG Wort sei Dank
Achtung, Triggerwarnung! Sie werden gleich mit etwas konfrontiert, das Ihnen unter Umständen unbekannt ist. Mit dem sogenannten Uni-Reader. Falls Ihnen dieser Begriff nichts sagt, kann das zwei Gründe haben. Entweder haben Sie nicht studiert. Oder damit erst nach Beginn der nuller Jahre angefangen. Seitdem etwa stellen Dozent*innen die Literatur, die für Seminare und Vorlesungen zu lesen ist, ins Netz. Klingt nach state of the art, ist aber womöglich bald überholt.
Schuld daran ist die VG Wort, sozusagen die Gema der schreibenden Zunft. Bislang mussten Unis eine pauschale Abgabe für die digitale Kurslektüre zahlen. Jetzt will die VG Wort dazu übergehen, jeden verwendeten Text einzeln abzurechnen – zugunsten der Urheber*innen.
Nur: Wenn künftig die Lehrenden jeden Text, den sie online stellen, einzeln melden müssen, kostet das Zeit. Was den meisten zu doof sein dürfte. Also: Back to the roots. In diesem Fall zur Kopiervorlage – einer bisweilen zentimenterdicken Textsammlung auf Papier. Die steht entweder in der Bibliothek, aufbewahrt in einem Ordner, dessen Inhalt man noch von Hand durch den Kopierer jagen muss. Oder es gibt sie schon fertig gebunden zu kaufen, in einem Copy-Shop in Uninähe.
Zugegeben, all das klingt super fad. Aber, liebe Digital Natives, seht es doch mal so: Im Grunde ist es auch ganz nett, das Lange-in-der-Schlange-Stehen. Man kommt dabei nämlich mit neuen Menschen in Kontakt. Während man darauf wartet, dass einer der beiden einzigen Kopierer auf dem gesamten Campusgelände frei wird oder bis jemand zum x-ten Mal ein verklemmtes Blatt Papier zwischen den Rädchen und Walzen rausgefummelt hat, kann man sich unterhalten. Zum Beispiel darüber, wie nervig dieser ganze Kopiermist ist.
Unzählige Lerngruppen mögen so schon entstanden sein. Freundschaften! Beziehungen! Womöglich AktivistInnen-Gruppen für die geplante Revolution! Also: Nicht verzagen. Das Smartphone beiseitelegen müsstet ihr beim Warten halt. Marlene Halser
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