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Liebeserklärung an Ronja von RönneBöses Mädchen?

Marlene Halser
Kommentar von Marlene Halser

Die Autorin sollte für ihren antifeministischen Text in der „Welt“ ausgezeichnet werden – und lehnte ab. Dafür wird sie angegriffen. Zu Unrecht.

„In dem Artikel gibt es kein einziges Argument“, sagte Ronja von Rönne über ihren eigenen Artikel Foto: dpa

D er geht es doch nur um Publicity. Das war die erste Reaktion, nachdem Ronja von Rönne den Axel-Springer-Preis abgelehnt hatte. Sie hätte just für den Text ausgezeichnet werden sollen, der ihr im Jahr 2015 einen gigantischen Shitstorm eingebracht hatte. Titel: „Warum mich der Feminismus anekelt.“

„Der Text greift an, ohne zu begründen, er stichelt, ohne stichfeste Argumente zu haben, er provoziert, ohne Lösungsvorschläge bereitzuhalten.“ In dem Artikel gebe es kein einziges Argument. Das alles sagte: Ronja von Rönne selbst. Und dafür wolle sie nicht ausgezeichnet werden.

Nun liegt der Vorwurf, sie habe mit der Ablehnung des Preises nur auf sich aufmerksam machen wollen, nahe. Ihr Debütroman „Wir kommen“ verkauft sich schlecht. Aber der Vorwurf wird ihr nicht gerecht. Denn ihre Wort sind mutige Worte, die den meisten Journalisten, männlichen vor allem, niemals über die Lippen gekommen wären, einfach weil man nicht ohne Not öffentlich Fehler eingesteht. Erstaunlich ist, dass von Rönne trotzdem mit Missgunst überschüttet wird. Warum? Vielleicht weil sie nie der Norm entspricht. Sie ist jung, sie ist schön, sie ist adelig, sie sagt ihre Meinung, auch wenn diese nicht erwünscht scheint. Und sie macht sich nicht klein. Das empfinden viele als unerhört.

In ihrem Feminismustext schrieb sie, es gehe ihr um ihr eigenes Fortkommen. Sie habe keine Lust, sich mit unterprivilegierten Frauen zu solidarisieren. Das ist hart und asozial. Aber ist von Rönne die Einzige, die so denkt? In anderen Texten beharrt sie auf ihrem Recht, depressiv, faul und seltsam zu sein – statt sich der Selbstoptimierungsideologie zu unterwerfen. Das alles formuliert sie mit einer selbstverliebten Wurstigkeit, dass es all jene, die sich abmühen, brüskieren muss.

Böses Mädchen, hätte man früher vermutlich zu ihr gesagt und versucht, schleunigst ihren Willen zu brechen. Dass wir nun dasselbe versuchen, indem wir von Rönne mit Missgunst überschütten, ist das eigentlich Antifeministische am Umgang mit ihr.

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Marlene Halser
Freie Autorin
Geboren 1977 in München, war von 2011 bis 2019 zunächst als Bayernkorrespondentin, dann als Redakteurin und später als Ressortleitung im Ressort taz2 (Gesellschaft und Medien), sowie als Content SEO bei der taz. Jetzt ist sie wieder als freie Autorin unterwegs.
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7 Kommentare

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  • "Vielleicht weil sie nie der Norm entspricht. Sie ist jung, sie ist schön, sie ist adelig, sie sagt ihre Meinung, auch wenn diese nicht erwünscht scheint." - Gesellschaftlich akzeptierte Exzentrik des Adels, oder? Und das ist auch alles, was ich aus Rönnes Welt-Artikel herauslese. Relevante Inhalte sind jedenfalls nicht zu finden. Zur Erinnerung: Die Monarchie wurde vor 100 Jahren abgeschafft. Könnten wir nun endlich auch damit aufhören, den Adelsstand weiter zu hofieren? Vor allem in der taz?!

  • 2G
    23912 (Profil gelöscht)

    „Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin.“, schrieb sie im preisgekürten Text und setzte nach: „Ich habe einfach selbst noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist.“

     

    Bei aller Empathie und Begeisterung ("mutiger Text") die Marlene Halser mit der Preisverweigerin offenbart, möchte ich bemerken: so einen Text hätte ein Mann ja wohl kaum verfassen bzw. abliefern können, ohne zur Witznummer zu werden. Ja, eine Flitzpiepe wie Matussek vielleicht - aber ob ihm das Frausein abgenommen worden wäre?

     

    Mit der Ablehnung des Preises steigerte Rönja von Rönneberger ihre Popularität und Glaubwürdigkeit: Denn nun kann sie zwar kaum noch glaubwürdig zur Kopftuchhassenden Feministin werden und Alice Schwarzer von Platz Nr. 1 verdrängen, aber sie wird vielleicht zu Deutschlands bekanntester Egoistin? Außerdem kann sie sich die Mühe sparen, ihre Artikel so zu formulieren, dass sie als Bewerbungsschreiben für die WELT taugen. Sie ist ja bereits da.

  • Ronja von Rönne ist nicht meine Kragenweite, aber "Hut ab" vor ihr!

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    Journalisten haben viele W(e)irkzeuge, bis hin zu Polemik... und wenn sich mal jemand auskotzt, unangepasst, einfach laufen lässt ist das GUT SO!

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    Wenn darauf ein Shitstorm kommt, hat der angepasste "Plebs" das Thema, das "Wirkzeug" nicht begriffen (mit dem Denken&Text > 160 Zeichen ist es heute immer so schwierig).

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    Im Cabaret beklatschen sie es, im Blatt ... (ohne den Tag:Satire/Polemik...) öhjuijuijui... das darf man/Frau doch nicht sagen!

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    Ablehnen einer "Auszeichnung" aus dem Hause Springer ist mMn. für jeden ernsthaften Kollegen ein muss. Darüber ist wohl nicht zu diskutieren.

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    Also, Frau Kollegin, trotzdem das wir wohl eine sehr verschiedene Ansicht des Berufs haben, gibt es wohl ein paar Grundlagen, die wir teilen!

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    Richtig gemacht, sowohl die Polemik (es ist erschreckend das auf Meinung nicht mehr mit Gegenmeinung reagiert wird und man/Frau dann in den Diskurs einsteigt) als auch das ABLEHNEN dieser (mMn. schon berufsverhindernden) "Pseudoehrung"

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    Weiter so

    Sikasuu

  • Was in der Debatte garnicht erwähnt wird, ist, dass man / frau einen Axel-Springer-Preis sowieso grundsätzlich abzulehnen hat -- eben weil er vom Axel Springer Verlag ist.

    • @Doktor B.:

      Da hast Du absolut Recht.

      Nur machte Frau Rönne bereits den Fehler, für Die Welt zu schreiben.

  • Nun ja, zu früh um zu urteilen.Und zu anachronistisch,schlicht zu sagen dass sie kritisiert werde, weil sie nicht der Norm entspreche. Dass sie sich selber entschuldigt hat,ist eine bemerkenswerte Sache, so können wir weiter mit ihr auseinandersetzen oder diskutieren was auch immer.

     

    Aber diese Norm-Geschichte kommt allzu oft ,immer wieder leichtsinnig in Frage, .Sie kann durchaus böses Mädchen sein ohne Feminismus anzufeinden. Und es kann auch sein, dass es heute eine andere Norm ist, böses od trotziges Mädchen zu sein,um als selbstständiges,unabhängiges ,"gut optimiertes" Mädchen zu manifestieren.

     

    Wenn es eine Norm gibt, gibt es immer eine andere auch als Reaktion.

    Und Sie wollte offenbar nicht so sein . Das ist gut so für sie. Wie in dem Artikel erwähnt ist ,sollte es geschätzt werden. So denke Ich auch.

     

    Wir leben im Zeitalter von Individualisierung und "Optimierung". Wie man sich optimiert ist eine höchst komplizierte Sache.Das kann auch sein dass sie versucht hat sich zu optimieren dadurch dass sie Tschüß zu Feminismus sagt.

     

    So voreilig sollten wir nicht urteilen. Zuerst können wir sie mit Respekt handeln, wie sie eigene Fehler vor Feminismus bekannte.

  • nein, sie ist nicht adelig, Adel gibt es in Deutschland seit fast 100 Jahren nicht mehr...