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■ QuerspalteLieber Herr Waigel!

Mit großer Besorgnis habe ich von den Finanzierungslücken im Bundeshaushalt 1997 erfahren. Deshalb möchte ich Ihnen eine völlig neue Idee vorschlagen, die auch die standortgefährdende Blockadepolitik der SPD aufheben würde. Inzwischen hat das Gefasel von einer angeblichen sozialen Schieflage ja sogar schon einige CDU-Mitglieder angesteckt.

Mein Vorschlag: Kaufen Sie einfach ein neues Volk! Die Kosten sind zwar auf den ersten Blick ziemlich hoch, aber der langfristige Effekt geht weit über jede noch so radikale Steuerreform hinaus. Und ein neues Volk ist nur scheinbar nicht zu bezahlen, in der Dritten Welt erhalten Sie es fast geschenkt. Die Leute wollen sowieso dort weg.

Natürlich darf nicht jeder hierher. Wer nach Deutschland kommen will, muß sich vorher verpflichten, nie zu streiken, krank zu werden oder auf andere Weise die Gewerkschaft zu unterstützen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird somit gegenstandslos. Der DGB kann sich auflösen, Probleme wie Kündigungsschutz und Tarifverhandlungen erledigen sich von selbst.

Wenn Sie nur so viele Leute kaufen, wie für den Standort Deutschland nötig sind, kann Norbert Blüm endlich die lästige Bundesanstalt für Arbeit schließen. Damit wäre ein weiteres Faß ohne Boden verschwunden. Allerdings müßte noch eine Entsorgungsfrage geklärt werden: Wohin mit dem alten Volk? Weisen Sie es einfach aus und schieben es ab. Erfahrungen mit solchen Massenabschiebungen liegen ja zum Glück seit der Asylrechtsänderung vor. Gute, gesunde Deutsche ohne Vorstrafen, die nie Gewerkschaftsmitglied waren, dürfen natürlich bleiben.

Nun werden sich auch bei dieser Maßnahme sicher wieder Nörgler finden. Auch sogenannte Christen werden sich wohl melden. Lassen Sie sich von diesem Christlich-Sozialen Unverstand nicht anstecken! Kein Staat der Welt kann mit der Bergpredigt regiert werden. Christliche Skrupel sind heutzutage schlicht nicht mehr finanzierbar. Aber das wissen Sie ja besser als ich. Ihr Nils Floreck

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