Lichtverschmutzung nimmt zu: Immer weniger Sterne sichtbar
Die Lichtverschmutzung hat weltweit stark zugenommen. Über Jahre lieferten Satelliten falsche Daten, da sie Werbetafeln und Fensterlicht ignorierten.
Mistkäfer navigieren mithilfe des schwachen Lichts der Milchstraße, Kojoten heulen nur während einzelner Mondphasen, und einige Laubfrösche suchen nur bei besonderer Dunkelheit nach Nahrung. Wenn Nächte heller werden, sind diese Tiere mindestens irritiert – und auch bei uns Menschen sorgt die selbstgemachte Dauerbeleuchtung für Schlafstörungen.
Welchen Einfluss die Lichtverschmutzung auf Fauna und Flora genau hat und wie sie sich über die Jahre verändert, lässt sich schwer erforschen. Laborstudien haben allerdings gezeigt, dass sich zum Beispiel der Körperbau von Fischen bei steigender Lichtverschmutzung verändert.
Die Studie
Um den Anstieg der Lichtverschmutzung zu untersuchen, haben Wissenschaftler*innen des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam von 2011 bis 2022 Freiwilligen Sternkarten vorgelegt, die sie mit ihrem Nachthimmel vergleichen sollten. Die Forscher*innen wollten wissen, welcher der am schwächsten leuchtende Stern ist, den die Freiwilligen noch mit bloßem Auge erkennen konnten.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Daraus können sie ableiten, wie viel heller es über die elf Jahre geworden ist, weil die Lichtverschmutzung schwach leuchtende Sterne zuerst verdeckt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Science. Insgesamt konnten die Forscher*innen auf 51.351 Beobachtungen zurückgreifen. Sie stammen hauptsächlich aus Europa, den USA, Japan und Südamerika. Besonders aus Afrika fehlen Daten.
Das ist ein Problem, denn dort wachsen Siedlungen besonders schnell und damit auch die Lichtverschmutzung. Aus den Beobachtungen der Freiwilligen haben die Forscher*innen berechnet, dass die Lichtverschmutzung von 2011 bis 2022 pro Jahr durchschnittlich um 9,6 Prozent angestiegen ist. Auf die Kindheit und Jugend eines Menschen umgerechnet, bedeutet das: Waren zur Geburt eines Kindes 250 Sterne sichtbar, sind es bei seinem 18. Geburtstag nur noch 100.
Was bringt’s?
Die Beobachtungen sprechen für eine viel stärker ansteigende Lichtverschmutzung, als Satelliten bisher gemessen hatten. Die Forscher*innen vermuten dafür zwei Gründe. Erstens können Satelliten horizontal ausgestoßenes Licht nicht messen, also zum Beispiel von Fenstern oder Werbetafeln. Das macht aber den Großteil der städtischen Lichtverschmutzung aus. Zweitens wurde über die vergangenen zehn Jahre die meiste Außenbeleuchtung durch LEDs ersetzt. Deren blaues Licht hat eine geringere Wellenlänge als das vorher übliche wärmere Licht und ist für Satelliten schwerer erkennbar.
Die Forscher*innen fordern bessere Satelliten, um überprüfen zu können, ob politische Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung helfen. Und ihre Ergebnisse zeigen, wie wichtig Freiwillige für die Forschung sind. Beim Projekt Globe at Night, aus dem die Beobachtungen stammen, kann man übrigens weiterhin mitmachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?