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Lichtspieldämmerung

Die Multiplexe machen die traditionellen Hamburger Kinos platt. So sagt eine auf dem Filmfest vorgestellte Studie  ■ Von Christian Buß

Irgendwann ging es dann richtig zur Sache. Matthias Elwardt, eloquenter Programmchef des Abaton, warf den Betreibern von Multiplex-Kinos Kannibalismus vor. Eine Frau aus dem Publikum spekulierte, daß Flebbe seine anderen Lichtspielhäuser verkommen lasse, um das gesamte Kapital in Cinemaxx-Burgen zu investieren. Und Heiner Roß, ehrenwerter Leiter des kommunalen Metropolis, zitierte etwas unerwartet Jean Renoir, um in einer großen Geste alle Major-Kinos der Barbarei anzuklagen. Flebbe-Marketingchef Jens Thomsen aber wollte nicht so recht den Buhmann spielen. „Horrorszenarien!“ wies er alle Anschuldigungen von sich.

Schaum stand vor dem Mund, Zahlen schwirrten durch den Raum. Am Mittwoch nachmittag knallte es beim ansonsten recht beschaulichen Filmfest Hamburg. Grund: Es wurde eine Studie zur Situation der Filmtheater vorgestellt, und deren Prognose ist verdammt düster. Die unter anderem von Filmförderung und Stadtentwicklungsbehörde in Auftrag gegebene und im Passage-Kino heftig diskutierte Analyse belegt, daß die Multiplexe in den kommenden Jahren fast alle anderen Kinos plattmachen werden. Zwar seien die Gesamtbesucherzahlen, wie von Multiplex-Machern beschworen, tatsächlich gestiegen – seit Eröffnung von Flebbes Cinemaxx und des UFA-Palast-Neustarts ist das Publikum um 16 Prozent gewachsen. Allerdings sind keine neuen Zuschauerschichten gewonnen worden. Im Gegenteil: Den traditionellen Umfeldkinos würden Kunden abgeluchst. So verzeichneten Häuser in unmittelbarer Nähe zu Multiplexen einen Rückgang von bis zu 50 Prozent. Ein Trend, der sich fortsetze: In ein paar Jahren – nach weiteren wahrscheinlichen Eröffnungen dieser Kino-Kampfsterne etwa in Altona oder Harburg – würden 85 Prozent des Marktes von ihnen beherrscht.

Da wurde also am Mittwoch mit Graphiken und via Dia-Projektor der Untergang des Abendlandes an die Wand geworfen. Die Aufregung der im Passage (Betreiber: Flebbe!) versammelten Lobbyisten war nachvollziehbar, irgendwie bewundernswert jedoch der Pragmatismus des Ufa-Vertreters Manfred Glöde. Der Wandel seines Unternehmens, das mit dem kalten Klotz am Gänsemarkt eines von zwei örtlichen Multiplexen führt, ist geradezu symptomatisch für den Wandel des Kinos an sich. In loser Folge schließt die Ufa AG ihre alten Häuser – nach dem Aladin droht auch das Aus für das Gloria in Harburg. „Und wenn neben dem Oase ein Multiplex eröffnet, müssen wir auch das schließen, obwohl es ja für die Reeperbahn in einem passablen Zustand ist.“

Und wie kann der grassierenden Multiplexmania Einhalt geboten werden? Eigentlich, so die Studie, hätten nur jene Kinos eine Chance, die sich durch ein inhaltliches Profil absetzten. Das Abaton ist dafür ein gutes Beispiel. Gerade aber dessen Matthias Elwardt sah sich in der Podiumsdiskussion bedroht, weil die Multiplexe immer mehr sogenannte „Arthouse“-Themen aufgreifen würden. Hier zeigt sich auch die terminologische Crux der fraglos notwendigen Debatte: Noch immer wird gut bürglich in niederes und höheres Kino unterteilt. Da ist ein esoterisch verbrämter Softporno wie Kama Sutra anspruchsvoll, nur weil er eine saturierte Klientel anlockt, und Star Troopers, klar, ist böse. Irgendwann schlug ein Zuhörer vor, man solle erstmal den „Kulturbegriff“ klären. Gute Idee, danach kann auf den Punkt gebracht werden, worum es in dieser Diskussion legitimerweise geht: Geld.

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