Letzter Teil der „Tribute von Panem“: Mit Propos gegen den Diktator
Die „Tribute von Panem“-Reihe gilt als fortschrittlichste im Fantasy-Genre. Dennoch muss die Heldin beim Tyrannenmord gut aussehen.
Die Zeiten waren in vielerlei Hinsicht andere, als vor drei Jahren der erste Teil der „Hunger Games“ in die Kinos kam. Damals, im Frühjahr 2012, standen die „Tribute von Panem“ noch ganz im Schatten einer anderen Verfilmung aus dem meist noch spöttisch belächelten Segment der „Young Adult“-Literatur: der „Twilight“-Serie.
Doch inzwischen hat sich nicht nur das Literaturgenre „YA“ dank Autoren wie John Green in der Achtung der Kritiker hochgearbeitet, ausgerechnet das „Hunger Games“-Franchise hat sich den Ruf erobert, sowohl das kassenmäßig erfolgreichste als auch das fortschrittlichste seiner Art zu sein.
Der interessante Aspekt dieser Fortschrittlichkeit besteht nun darin, dass sie sich nicht nur auf den Inhalt bezieht. Die „Hunger Games“, so sagt man zumindest, handeln nicht nur von einem Aufstand gegen eine Diktatur, sie stellen selbst eine Rebellion dar – gegen Hollywood und seinen Sexismus und Rassismus.
So schließt das Ensemble der „Hunger Games“ mit Philip Seymour Hoffman einen Verstorbenen mit ein (dessen geistesabwesender Auftritt Wehmut aufkommen lässt) und ist, was Hautfarben anbelangt, auf „Vereinigte Farben von Benetton“-Niveau. Aber wie üblich sind die Hauptrollen dann doch davon ausgenommen.
Bleibt die Frage nach der weiblichen Heldin. Auch im vierten und letzten Teil geht es weniger um die Frage, ob Katniss Everdeen, so der Name der Figur, endlich der Tyrannenmord gelingen wird, sondern darum, wie sie dabei aussieht. Ganz im Ernst. Wird ihr erneut die Gratwanderung gelingen, nämlich einerseits mit den Männern gleichzuziehen und andererseits alles anders zu machen und sich etwas von der romantischen Mädchenhaftigkeit einer „Twilight“-Hauptfigur bewahren?
Telegene Anführerin
Man könnte es fast ironisch nennen, dass eine ähnliche Überforderung auch den Hauptkonflikt der Filmfigur Katniss bildet. Denn der Clou der Romanvorlage von Suzanne Collins besteht darin, dass Katniss nicht nur flink mit dem Bogen umgehen kann, eine gute Wettkampfstrategin und immer bessere Anführerin ist, sondern dass sie sich als so fürchterlich telegen erweist.
Auch in der dystopischen Castingshow-Gesellschaft von Panem kommt sie einfach gut rüber. Im ersten Teil will sich das noch Diktator Snow (ein wölfisch grinsender Donald Sutherland) zunutze machen, aber als Katniss zu den Rebellen unter Anführerin Alma Coin (Julianne Moor im Eisköniginnen-Modus) überläuft, wird sie, statt tatsächlich selbst zu kämpfen, zu verschiedenen Fronten geflogen, um dort „Propos“, Propagandavideos zu drehen, die die Unterdrückten der Distrikte zum Aufstand bewegen sollen – sie hat grandiosen Erfolg.
Weshalb im vierten Teil es für die Rebellen nur doch darum geht, die Hauptstadt zu erobern und den Diktator abzusetzen. Letzteres will Katniss unbedingt selbst in die Hand nehmen. Und eben nicht nur so tun, als ob.
„Die Tribute von Panem 4 – Mockingjay Teil 2“. Regie: Francis Lawrence. Mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson u. a. USA 2015, 137 Min.
Der Kampf um „The Capitol“ ist dabei visuell ausreichend beeindruckend. Trotz temporeicher Action aber liegt eine Aura des Getragenen über dem Ganzen. Es ist ein bisschen so, als ob Katniss mit ihrem notorisch schlechten Gewissen darüber, vielleicht für die falsche Seite das Poster-Girl gespielt zu haben, und all dem mütterlichen Schmerz um die Opfer und Mitkämpfer, die sie um sich herum fallen sieht, die Handlung schwer verlangsamt. Vielleicht will sie ja nur das „Happ End“ hinauszögern, das unsere „neue“ Heldin in so ziemlich der altmodischsten, wenn nicht sogar reaktionärsten Idylle zeigt: auf grüner Wiese mit lächelndem Mann und geradezu unheimlich blondgelockten Kindern.
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