piwik no script img

Lettland will in die Euro-ZoneBeitritt ohne Mehrheit

Lettland hat die Aufnahme in die Euro-Zone beantragt. Die Mehrheit der Bevölkerung möchte aber lieber die eigene Währung behalten.

Während die lettische Regierung den Euro sozusagen anheult, interessiert sich die Bevölkerung womöglich mehr für diese Eisskulptur, die in Jelgava steht. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Lettland will achtzehntes Euroland werden. Am Montagvormittag unterzeichnete Ministerpräsident Valdis Dombrovskis zusammen mit Finanzminister Andris Vilks und Nationalbankchef Ilmars Rimsevics den Brief nach Brüssel, in dem Riga bei der EU-Kommission einen „außerordentlichen Konvergenzbericht“ beantragt. Bestätigt dieser Bericht bis Mitte des Jahres, dass das Land die Maastricht-Kriterien erfüllt, soll der Euro zum 1. Januar 2014 eingeführt werden.

Einen entsprechenden Zeitplan hatte das Parlament im Januar mit 52 gegen 40 Stimmen abgesegnet. Eine Mehrheit der Bevölkerung hat die Regierung bei dieser Entscheidung aber nicht hinter sich. Rund zwei Drittel der LettInnen möchte gern die eigene Währung beibehalten. Das hat zum Teil sentimentale Gründe. Als der Lats 1993 den Rubel ablöste, galt das als so etwas wie die endgültige Bekräftigung der Unabhängigkeit des Landes.

„Nun darf er nur 20 Jahre alt werden, und wir werfen diese Souveränität schon wieder weg“, klagt Andrejs Elksnins, Parlamentarier der linksoppositionellen „Harmonie“. Ein Versuch der Euroskeptiker, im Parlament genügend Stimmen für die Abhaltung eines Referendums zu sammeln, scheiterte allerdings.

Auch in Lettland hat die Eurokrise Spuren hinterlassen. So wird auf das Beispiel des Nachbarlandes verwiesen: Estland hatte 2011 den Euro gerade eingeführt, als es gleich für die ersten Rettungspakete mit zur Kasse gebeten wurde. Ein Schicksal, das nun auch Lettland erwartet?

Unterstützung könnte weiter sinken

Dass das ausweislich des Bruttoinlandsprodukts (BIP) drittärmste EU- und künftig ärmste Euroland demnächst etwa für „reiche“ südeuropäische Länder zahlen muss, vermag auch Wirtschaftsminister Daniels Pavluts nicht auszuschließen: Lettland gehe mit seinem Schritt „eine Art Wette ein“. Und Eurogegner fragen, warum Lettland eigentlich unbedingt auf ein sinkendes Schiff steigen wolle.

Das Bild eines Schiffs benutzt auch Nationalbankchef Rimsevics. Doch er spricht vom „großen, stabilen Schiff“, das die Wirtschaft Lettlands deshalb auch „noch stabiler“ machen werde. Die Gemeinschaftswährung werde dem Land nur Vorteile bringen, es attraktiver für ausländische Investoren machen und das Zinsniveau senken. Im Übrigen sei der Wechselkurs des Lats schon seit 2005 fest an den des Euro gebunden.

Finanzminister Vilks ist darauf vorbereitet, dass die Unterstützung für den Euro trotz der „Aufklärungskampagne“, die die Regierung in den nächsten Monaten plant, eher noch unter das Drittel der jetzigen BefürworterInnen in der Bevölkerung sinken könnte. „Es ist schon eine sehr, sehr schwierige Situation, die sich angesichts der Lage in Italien und Zypern entwickeln könnte“, erklärte er vergangene Woche. „Aber auf unseren Willen, der Eurozone beizutreten, wird das keinen Einfluss haben.“

Schuldenstand ist gestiegen

Jedenfalls erfüllt das Land die Kriterien zur Aufnahme in den Euroklub. Zwar ist der Schuldenstand durch die Krise der Jahre 2008 und 2009, als das BIP um etwa ein Viertel schrumpfte, von 9 auf 42 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung hochgeschossen, doch liegt man damit immer noch deutlich unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent. Auch das Haushaltsdefizit konnte die Regierung mit einer radikalen Sparpolitik unter der 3-Prozent-Grenze halten. Die Inflationshürde dürfte man ebenfalls nehmen – im Januar hatte Lettland die drittniedrigste Inflationsrate in der EU.

Dass das Land eine problematische Wirtschaftsstruktur mit hohem Leistungsbilanzdefizit und hoher Arbeitslosenrate sowie einen erwiesenermaßen labilen Bankensektor hat, wird für EU-Währungskommissar Olli Rehn vermutlich kein Grund sein, das lettische Gesuch abzulehnen. Die Erweiterung ist politisch gewollt. In Riga will man demonstrieren, dass das Land zur „Kern-EU“ gehört, in Brüssel, dass eine Euromitgliedschaft nach wie vor als attraktiv angesehen wird.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • T
    Tantris

    Offersichtlich geht es den Letten so wie den Deutschen:

    Die Mehrheit hier wollte auch den Euro nicht.

    Sind Sie gefragt worden?

    Ohne Euro hätten wir die Ganze Scheisse nicht am Hals

  • R
    Racins

    Herr Wolf als Zeitungskorrespondent wissen sollte, dass die Hauptstadt von Lettland nicht Vilnius aber Riga ist.

     

    REDAKTION taz.de: Danke für den Hinweis, haben wir korrigiert!

  • R
    Remsch

    Einfach mal die Entwicklung beleuchten. Lettland war vor einigen Jahren pleite und hat Reformen durchgeführt, die Griechenland verschlief. Seitdem ist es wieder am Wachsen. Selbiges gilt für die Arbeitslosenquote. Ende 2009 hatte sie ihren Höchstwert von über 21% erreicht. Ein Jahr später waren es 18%, 2011 16% und derzeit knapp 14%. Tendenz weiter fallend. Da muß man nun wirklich keine Schwarzmalerei betreiben. Übrigens haben mehr als zwei Drittel der Letten mit dem EU-Beitritt auch für die Euroeinführung gestimmt; sonst hätte das Land nicht schon seit 2005 die Einführung in Angriff genommen. Daß so eine Einführung aber etwas dauert und gut vorbereitet sein muß, sollte jedem ob jüngster Entwicklungen ja schlüssig erscheinen. Irgendwelche populistische Stimmungsmache und Momentaufnahmen, die von Woche zu Woche schwanken kann, wird da einem solchen Projekt nicht gerecht. Daß die Kommunisten und Vertreter der russischen Minderheit die europäische Integration kritisch sehen und lieber eine gleichwertige Partnerschaft mit Moskau statt nur mit Brüssel wünschen, ist auch nachvollziehbar.